68 Zehntes Buch. Viertes Capitel.
daß er Sinn für ein anderes System hatte; Graf Törring dagegen,
ein Mann von fester begründetem Einfluß, hielt mit ausschließender
Ergebenheit an dem französischen Bunde fest. Der Widerspruch, der
darin liegt, daß die deutschen Interessen durch einen von Frankreich
so ganz abhängigen Kaiser gehandhabt würden, war nicht zu besei-
tigen und diente Andern zur Entschuldigung, die für England Partei
ergriffen. Der Kurerzkanzler des Reiches verschmähte nicht, in diesen
Augenblicken der schwierigsten Verwickelung sich durch die Summe von
8000 Pfund an die englische Politik fesseln zu lassen. Der Kurfärst
von Cöln ließ sich von seinem Oberhofmeister bewegen, ebenfalls eng-
lische Subsidien anzunehmen und sich von seinem eigenen Bruder,
welcher die Krone des Reiches trug, zu trennen. Noch mächtigere
standen in ähnlichen Unterhandlungen.
Nun war es aber mit nichten das deutsche Interesse allein, was
dem König von Preußen am Herzen lag. Indem er noch für den
Kaiser zu streiten meinte, mußte er schon fühlen, daß er durch den
Gang der großen Angelegenheiten auch in seinem eigenen Bestehen
gefährdet war.
Er hatte selbst vorausgesetzt, tausendmal war es ihm von dem
kaiserlichen und dem französischen Hofe wiederholt worden, daß die
Königin bei der ersten Gelegenheit suchen werde, ihm Schlesien wieder
zu entreißen. Da der König von England ihm zwar den Besitz dieser
Provinz garantirt, aber dann eine ähnliche Garantie weder bei Hol-
land noch bei Rußland mit dem Eifer, den man erwartete, befördert
hatte, so schien es ihm wohl, als könne England noch einmal auch
hiezu sich mit der Königin verbinden.
Den ersten großen Eindruck, daß etwas Aehnliches bevorstehe,
machte bei ihm ein Gespräch, daß zwischen seinem Gesandten und
dem Greffier Fagel im Haag vorfiel. Der Gesandte führte eines
Tages aus, daß es mit der Aufnahme der französischen Truppen im
Reich bei weitem nicht so viel auf sich gehabt habe, wie mit dem
Eindringen der englischen; das Reich werde sich nicht der Gnade des
Wiener Hofes überlassen wollen. Fagel antwortete: aber die Kö-
nigin habe einen gerechten Anspruch auf völlige Herstellung. Der
Gesandte, ohne weiter einzugehen, ersuchte ihn, sich näher zu erklären:
Fagel versetzte: die Königin habe das Recht, dasjenige zurückzufordern,
was sie vor dem Kriege besessen habe 1). Und nicht eine blos persön-
1) „Mais“, répondit-, „ia reine de Hongrie est en droit de de-
mander restitutionem in integrum; je le Priai d'’expliquer plus claire-