Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

68 Zehntes Buch. Viertes Capitel. 
daß er Sinn für ein anderes System hatte; Graf Törring dagegen, 
ein Mann von fester begründetem Einfluß, hielt mit ausschließender 
Ergebenheit an dem französischen Bunde fest. Der Widerspruch, der 
darin liegt, daß die deutschen Interessen durch einen von Frankreich 
so ganz abhängigen Kaiser gehandhabt würden, war nicht zu besei- 
tigen und diente Andern zur Entschuldigung, die für England Partei 
ergriffen. Der Kurerzkanzler des Reiches verschmähte nicht, in diesen 
Augenblicken der schwierigsten Verwickelung sich durch die Summe von 
8000 Pfund an die englische Politik fesseln zu lassen. Der Kurfärst 
von Cöln ließ sich von seinem Oberhofmeister bewegen, ebenfalls eng- 
lische Subsidien anzunehmen und sich von seinem eigenen Bruder, 
welcher die Krone des Reiches trug, zu trennen. Noch mächtigere 
standen in ähnlichen Unterhandlungen. 
Nun war es aber mit nichten das deutsche Interesse allein, was 
dem König von Preußen am Herzen lag. Indem er noch für den 
Kaiser zu streiten meinte, mußte er schon fühlen, daß er durch den 
Gang der großen Angelegenheiten auch in seinem eigenen Bestehen 
gefährdet war. 
Er hatte selbst vorausgesetzt, tausendmal war es ihm von dem 
kaiserlichen und dem französischen Hofe wiederholt worden, daß die 
Königin bei der ersten Gelegenheit suchen werde, ihm Schlesien wieder 
zu entreißen. Da der König von England ihm zwar den Besitz dieser 
Provinz garantirt, aber dann eine ähnliche Garantie weder bei Hol- 
land noch bei Rußland mit dem Eifer, den man erwartete, befördert 
hatte, so schien es ihm wohl, als könne England noch einmal auch 
hiezu sich mit der Königin verbinden. 
Den ersten großen Eindruck, daß etwas Aehnliches bevorstehe, 
machte bei ihm ein Gespräch, daß zwischen seinem Gesandten und 
dem Greffier Fagel im Haag vorfiel. Der Gesandte führte eines 
Tages aus, daß es mit der Aufnahme der französischen Truppen im 
Reich bei weitem nicht so viel auf sich gehabt habe, wie mit dem 
Eindringen der englischen; das Reich werde sich nicht der Gnade des 
Wiener Hofes überlassen wollen. Fagel antwortete: aber die Kö- 
nigin habe einen gerechten Anspruch auf völlige Herstellung. Der 
Gesandte, ohne weiter einzugehen, ersuchte ihn, sich näher zu erklären: 
Fagel versetzte: die Königin habe das Recht, dasjenige zurückzufordern, 
was sie vor dem Kriege besessen habe 1). Und nicht eine blos persön- 
1) „Mais“, répondit-, „ia reine de Hongrie est en droit de de- 
mander restitutionem in integrum; je le Priai d'’expliquer plus claire-
	        
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