72 Zehntes Buch. Biertes Capitel.
entschlossen, den in Reichsangelegenheiten eingeschlagenen Gang ohne
alle Rücksicht auf den Widerspruch des Königs von Preußen fort-
zusetzen. Sollte er sich dagegen regen, so hatte man nicht allein
eigene Kraft, sondern auch Freunde und Verbündete, ihn zu be-
tämpfen. Friedrich hätte vielleicht die Sache gehen lassen, die Erfolge
abwarten können. Abgesehen davon, daß er damit etwas versucht hätte,
was gegen seinen Charakter lief, die Gefahr wäre immer gewachsen,
und indessen wäre er, wie er selber sagt, in eine Verachtung gefallen,
wie die, der einst sein Vater unterlegen.
Es war nicht anders: es mußte wieder zu einem Zusammen=
treffen der beiden Mächte kommen. Die Fragen, die man bei dem
Breslauer Frieden nicht entschieden hatte, zeigten sich so einflußreich
und gewaltig, daß sie denselben wieder zu zerstören drohten.
Welch ein Unternehmen aber war es, sich dem Zuge, den die
Dinge in Europa und in Deutschland seit jener Zeit genommen
hatten, entgegenzusetzen! Um es nicht hoffnungslos zu thun, mußte
Friedrich seine Augen wieder nach Frankreich richten. Aber hatte er
nicht hinreichend erfahren, wie wenig er sich auf ernstliche Kampf=
anstrengung von dieser Seite Rechnung machen könne? Und wie
dann, wenn auch Rußland dem Bunde zwischen Sachsen und Oester-
reich beitrat, wie bei diesem davon die Rede war?
Wollen wir Friedrichs politische Lage begreifen, so müssen wir
noch einen Augenblick inne halten und einen Blick auf die großen
Nachbarländer werfen, zuvörderst auf den Norden, wo einige Ver-
änderungen eintraten, welche eine Feindseligkeit von dieser Seite nicht
wahrscheinlich machten.