80 Zehntes Buch. Fünftes Capitel.
diesen Vorschlag mit Entschiedenheit und ließ ihn in Petersburg vor-
tragen. Da brauchte die Prinzessin von Zerbst nur genannt zu wer-
den, so nahm man sie an. Eine Einwendung dagegen hätte von
der Verwandtschaft hergenommen werden können, in welcher sie zu
dem ihr bestimmten Gemahl stand, aber nach einigen Bedenken er-
klärte der Bischof von Nowgorod und die von demselben zu Rathe
gezogene Synode, daß diese Verwandtschaft nur der Schatten einer
solchen sei und kein Hinderniß bilden könne, indem sie von der weib-
lichen Seite herrühre 7.
Der Fürst und die Fürstin von Zerbst brachten, dieser Verhand-
lungen vollkommen unkundig, Weihnachten 1743 und Neujahr 1744
in tiefer Ruhe auf ihrem alten Schlosse in Zerbst zu, als eben am
Neujahrstage eine Stafette eintraf, die eine Einladung der Kaiserin
von Rußland an die Fürstin brachte, mit ihrer Tochter, von welcher
ihr der Ruf vieles Gute melde 2), an ihren Hof zu kommen. Ueber
die Absicht dieser Einladung hätte man zweifelhaft sein können, wäre
nicht zugleich ein Brief des Königs von Preußen eingelaufen, worin
derselbe von seiner Seite den Gedanken aussprach, daß die Prinzessin
mit dem Großfürsten von Rußland vermählt werden könne.
Die Fürstin, die sich in ihrem Herzen schon länger mit Hoff-
nungen dieser Art getragen hatte, sah darin eine Fügung der Vor-
sehung, die ihrem Hause in den letzten Jahren so viele unerwartete
Glücksfälle zugewandt habe; sie gedachte des alten Olearius, der dem-
selben erfolgreiche Verbindungen zu verschaffen in prophetischem Vor-
gefühl bemüht gewesen sei ?).
Von der jungen Prinzessin ist ein Blatt mit ihrem groß hin-
gemalten zerbstischen Namenszug übrig; darunter drückt sie in noch
sehr unvollkommenen Schriftzügen und Worten die Bewegung aus,
welche die eingegangenen Briefe ihrer Mutter verursachten; als wenn
das Orakel für ihr Leben darin liege.
Ohne langen Verzug, da der Vater wenigstens nicht dagegen
war, wurde die Reise angetreten; schon am 8. Februar, auf dem
Wege von Mitan nach Niga, erschien der Fürst Narischkin, die Prin-
zessin und ihre Mutter zu bewillkommnen; den Hof, wo nicht Jeder-
Qu’il n’y avoit aucun paremage surtout parce qdue cette ombre
Fffiniteé venoit du cöté de la mere et non du pere.
2) Dont la renommée nous vient de publier bien des belles choses.
3) Erhebe dein ehrwürdiges Haupt aus deinem Grabe Olearius, du
wahrer holsteinischer Prophet, siehe den Anfang der glücklichen Zeiten, die du
verkündigt hast.