Full text: Leopold von Ranke's sämmtliche Werke. 29. Band. Zwölf Bücher Preußischer Geschichte. (29)

Verhältmiß zu Frankreich. 87 
Partei bestehe, die man ermuthigen müsse; ihm zufolge sollte Friedrich 
plötlich am Niederrhein mit einer Armee auftreten, welche Alles ent- 
scheiden werde. 
Friedrich hat mit Voltaire mehr als einmal über politische Ver- 
hältnisse gesprochen; aber wie wenig verstand dieser sein System. 
Wenn Friedrich der Wahrheit gemäß versicherte, daß das Gerücht, 
als habe er der Königin Hülfstruppen gegen Frankreich angeboten, 
vollkommen falsch sei, so meinte Voltaire aus Übertriebener Feinheit, 
das nicht für wahr halten zu dürfen. Friedrich urtheilte, daß Vol- 
taire von allen Menschen am wenigsten zu einem Politiker tauge, und 
gab ihm statt alles anderen zuletzt den Auftrag, den Franzosen ein 
weiseres Betragen anzurathen 1). Er lachte darüber, daß der Poet 
ihn gleichsam als Deus es machina zur Entwickelung des ganzen 
Drama verwenden wolle. 
Ueberhaupt hatte er die schlechteste Vorstellung von der Einsicht 
sowohl wie von der Thatkraft der französischen Minister; sie schienen 
nur den Frieden im Sinne zu haben, denselben aber auf einem Wege 
zu suchen, wo er sich nie erreichen ließ; er bezeichnet die Monarchie 
als einen großen Körper, dem es an Geist und Nerv fehle. 
Nicht so ganz jedoch war dies der Fall wie er wohl meinte: 
allmählich erhob sich in dem König von Frankreich und um ihn her 
eine lebendigere Thätigkeit. 
Ludwig XV fehlte es weder an Talent noch an Bildung. 
Seine Briefe z. B. sind richtig gedacht und correct geschrieben; in 
diesen ersten Jahren verrathen sie bei einem wohlstehenden Mißtrauen 
in die eigenen Kräfte Nachdenken und Theilnahme; sie enthalten zu- 
weilen feine Bemerkungen 2). Auch setzte er das Vorbild Ludwigs XIV 
1) Zwei Billets von Voltaire an Amelot, die in der Sammlung seiner 
Werke von Beuchot nicht vorkommen, geben noch einiges Licht. 5 Juillet, de 
Ia Haye: je suis dans une liaison intime avec quelques étrangers, qui 
me font part de toutes les affaires et qui me mettront en état de le 
(FFrédéric) brouiller avec I’Angleterre; Berlin 8 Spt. il me paralt de la 
plus grande conséquence, due M’ de la Ville m’'y (à Baireuth) envoye 
les nouvelles qui pourront etre favorables au roi et à L’empereur, et 
induire le roi de Prusse à vous servir. Das Merkwürdigste sind die An- 
fragen Voltaires mit den Antworten Friedrichs, nr. 1253 bei Beuchot. Doch 
müssen sie wohl, da von der Reise nach Baireuth als etwas Bevorstehendem 
die Rede ist, in den Anfang des September gesetzt werden, nicht in den 
October. 
2) Einige sind in den Memoiren von Noailles gedruckt. Petitot Bod. 73,
	        
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