Metadata: Regierung und Volkswille.

74 Kooptation der Regierenden. 
England hat eine regierende, sich selbst ergänzende Aristo- 
kratie. Dieser Kreis von Familien, die häufig unter sich 
verwandt sind, bestimmt durch den Wahlkaukus und die 
Einzelwahlorganisationen die Wahlkandidaten, und durch 
die Gewählten werden sie wieder selbst gewählt, so daß 
eine Art Wechselwirkung besteht und tatsächlich eine Re- 
gierung eristiert, die sich selbst kooptiert und eventuell durch 
eine zweite Gruppe, die sich ebenso durch Kooptation er- 
gänzt, ersetzt werden kann. Der Einfluß der Wählerschaft 
ist darauf beschränkt, daß die regierenden Kreise, sich 
selber ergänzend, doch gezwungen sind, auf die Volks- 
stimmungen und -strömungen Rücksicht zu nehmen. Sie er- 
gänzen sich nicht willkürlich, nicht ausschließlich nach Vetter- 
schaft und Freundschaft, sondern sie ergänzen sich auch 
möglichst durch Talente, mit denen sie hoffen, ihre Partei 
und ihre Gruppe zu verstärken. Wenn sie das nicht täten, 
würde ein Teil der Wähler übergehen zur anderen Partei, 
und dann wären sie aus der Regierung heraus. 
Ob dieses System gut oder schlecht wirkt, davon sprechen 
wir jetzt nicht. Wir sprechen nur davon, ob es Wahrheit 
oder Illusion ist, daß das englische Unterhaus vom Volk 
gewählt wird, und wir haben nun gefunden: Es ist in der 
Tat eine Illusion; aber doch keine vollständige, wie die 
modernen Kritiker behaupten, weil und insofern die re- 
gierenden Gruppen fortwährend genötigt sind, auf das Volk 
Rücksicht zu nehmen. Es ist nicht eigentlich die Wahl, die 
dem Volke Geltung verschafft, sondern die Fühlung, die 
die regierenden Parteien immer mit dem Volk aufrecht er- 
halten müssen. Sehr sorgfältig wird aber die Illusion am 
Leben erhalten, als ob wirklich in den Volkswahlen ein 
Volkswille zum Ausdruck komme, und obgleich es so leicht 
kein Unterhausmitglied wagen darf, anders zu stimmen,
	        
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