Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 17.—20.) 25
wollendsten nicht bestritten werden kann, über die Bedürfnisse seines Heeres
selbst befinden. Die Anerkennung für Kiderlen--Wächter hat dieser
hervorragende Staatsmann wohl verdient. Eine solche ruhige, kluge und,
wie ich hinzufüge, kräftige Politik war der Verstorbene zu treiben nur in
der Lage, weil die Kräfte der Nation hinter der auswärtigen Politik des
Reiches stehen. Die württembergische Regierung hält die Grundlagen der
deutschen Wirtschaftspolitik durchaus für richtig. Es liegen keine Anzeichen
vor, die eine grundsätzliche Aenderung empfehlen würden. Die Staats-
regierung wird nicht in eine Erörterung über die glücklicherweise beendeten
Wahlkämpfe eintreten.
17. Januar. (München.) Ein besonderer Senat des Obersten
Landesgerichtes erklärt die Ehe des Prinzen Georg von Bayern mit
Erzherzogin Isabella Marie, Tochter des Erzherzogs Friedrich, für
nichtig.
19. Januar. (Berlin.) Im Reichstagsgebäude tagt unter
dem Vorsitz des Abg. Funck der Zentralausschuß der Fortschritt-
lichen Volkspartei.
Abg. Fischbeck, der wegen Ueberlastung und mit Rücksicht auf seinen
Gesundheitszustand zurücktritt, erstattet den Geschäftsbericht. An seiner Stelle
wird Dr. Wiemer zum Vorsitzenden des Geschäftsführenden Vorstandes
gewählt. D. Naumann spricht dann über Organisations- und Finanzfragen.
Angenommen wird eine Resolution, die alle Vereine zu eifriger Werbearbeit
und erhöhten Beisteuern, mindestens zu einem Zehntel ihrer gesamten Mit-
gliederbeiträge, an die Parteizentrale auffordert sowie zum Ausbau der
Zentralgeschäftsstelle. Abg. Dr. Wiemer erstattet alsdann sein Referat über
die Reichspolitik mit Rücksicht auf die künftige Militärvorlage und auf Finanz-
fragen. Eine etwa geplante Vermögenszuwachssteuer werde die Fraktion
schwerlich als eine Erfüllung des Versprechens auf Einführung einer all-
gemeinen Besitzsteuer ansehen können. Bei der Besprechung der Jesuiten-
frage stellt der Redner fest, daß die Partei keinen Kulturkampf wolle und
für volle Gleichberechtigung der Konfessionen eintrete, aber bei Konflikten
zwischen Staat und Kirche stets die staatlichen Interessen voranstellen werde.
19. Januar. (Koburg-Gotha.) Der gemeinschaftlichen
Tagung der Landtage geht der Voranschlag über Einnahmen und
Ausgaben für 1913 und 1914 zu.
Die Einnahmen fallen von 2434687 Mark der Vorjahre auf
1 884 015 Mark, weil die Ueberweisungen aus der Branntweinsteuer hinfort
gegen die Matrikularbeiträge aufgerechnet werden.
20. Januar. (Schwarzburg-Rudolstadt.) Landtagseröff-
nung durch Staatsminister Frhr. v. d. Recke.
In der Thronrede wird eine Abänderung des Staats-
grundgesetzes angekündigt, die das Bewilligungsrecht des Landtages
genauer regelt. Ferner wird ein neues Wahlgesetz angekündigt. Bisher
bestand der Landtag aus 16 Abgeordneten, von denen 12 aus allgemeinen,
4 aus den Höchstbesteuertenwahlen hervorgingen. Nach dem Regierungs-
entwurf sollen die 12 allgemeinen Mandate wie bisher bleiben, während
die 4 Höchstbesteuertensitze wegfallen. Dafür will man 12 neue Sitze schaffen,
die sich aus Vertretern der einzelnen Berufsstände und Erwerbszweige zu-
sammensetzen, so daß die Zahl der Landtagssitze 24 betragen würde.