8 18 Die Verwaltungsgerichtsbarkeit. 81
VIII. Der Grundsatz der Trennung der Gewalten ist in Zeiten revolutionärer Umwälzungen
entstanden und sollte gleichsam als Regulativ für die namentlich in politisch bewegten Zeiten un-
vermeidlichen Gegensätze zur Verwendung kommen. Ob er heutzutage, vom rein legislativen Stand-
punkt aus betrachtet, überhaupt noch die weitgehende Bedentung wie ehedem beanspruchen kann,
erscheint zweifelhaft. Die elsaß lothr. Gerichte waren jedenfalls bisher mit einer, man kann wohl
sagen beinahe ängstlichen Sorgfalt bemüht, die Grenzlinien zwischen Justiz und Verwaltung nicht zu
überschreiten. Tatsächlich gehören denn auch Reibungen zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden
bzw. Verwaltungsgerichten zu den unerfreulichsten Erscheinungen des modernen Staatslebens; denn
beide Arten von Behörden find doch schließlich organische Teile eines und desselben großen Ganzen,
der Staatsmaschinerie. Jedenfalls darf man über dem Gegensatz der beiden „Gewalten“ nicht auch
ihre degenseitigen Beziehungen vergessen 32. Ein materielles Unterscheidungsmerkmal zwischen
Justiz und Verwaltung existiert überhaupt nicht: Justiz ist, was die ordentlichen Gerichte, Ver-
waltung, was die Verwaltungsbehörden tun; beide Behördenkategorien sind in sehr vielen Fällen
Immer aber bleibt dabei die Natur des Klageanspruchs maßgebend. Ergibt sich aus dieser die Zu-
lässigkeit des Rechtsweges, so kann die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte nicht dadurch beseitigt
werden, daß die verklagte Partei eine Gegenforderung aus einem mit dem RKlageanspruch an sich in
keinerlei Zusammenhang stehenden Verhältnis öffentlich--rechtlicher Art in den Streitstoff einführt
und geltend macht. (R.G. v. 21. Nov. 1911 E. 77 S. 411; val. R.G.E. 69 S. 51, 71 S. 423;
Jur. Woch. 1908 S. 653 Nr. 2.)
Daß mit einer Klage die Beseitigung von Eigentumsbeschränkungen von einer jur. Person d.
öff. Rechts verlangt wird, schließt nicht aus daß es sich lediglich um eine bürgerlich-rechtiüche
Streitigkeit im Sinne des § 13 G. V.. handelt. (N.G. v. 16. März 1910; „Recht“ Nr. 1649.)
Ist andererseits für einen Anspruch der Rechtsweg ausgeschlossen, so kann er auch nicht auf
dem Umweg einer Schadensersatz= oder Berricherungsklage (§§8 826, 812 B.G B.) zulässig werden.
N.G. Jur. Woch. 1909 S. 253 und „Recht“ 1910 Nr. 2283.
Es kann jedoch den Beteiligten nicht verwehrt werden, durch gegenseitige Einwilligung für
solche dem öffentlichen Rechte angehörigen Verpflichtungen neben dem etwa schon bestehenden, im
öffentlichen Recht wurzelnden Verpflichtungsgrunde noch eine besondere privatrechtliche Grundlage
zu schaffen, deren Bestrhen im Streitfall in derselben Weise zu prüfen und festzustellen ist, wie Hies
bei anderen privatrechtlichen Verpflichtusgen der Fall zu sein pflegt. (Vgl. N.G. VII v. 30. Dez.
1907 83 07 u. R.G.E. 41 S. 272, 57 S. „#52.)
Für die Verfolgung eines wenn auch auf öffentlich-rechtlichem Titel beruhenden vermögens-
rechtlichen Anspruchs, der auf Auftrag, Geschäftsführung, ungerechtfertigter Bereicherung oder dergl.
begründet ist, ist der Rechtsweg zulässig, auch wenn bei der sachlichen Beurteilung des Anspruchs
Stellung zu öffentlich-rechtlichen Fragen zu nehmen ist. (N.G.E. 57 S. 270 u. v. 14. April 1910,
„Recht- Nr. 2284: O.L.G. Colmar v. 15. Okt. 1907, Els.-I. Z. 33 S. 522.)
Dagegen hat das Reichsgericht die Versuche, öffentlich-rechtliche, dem Rechtsweg entzogene An-
sprüche als vermeintliche Vorfragen vor den Zivilrichter zu bringen, stets zurückgewiesen. (N.G.E 70
S 398.) Vgl. ferner wegen Streitigkeiten des Landesfiskus mit einer elsaß lothr. Gemeinde über
deren Beteiligung am Ausfallfonds: R.G. v. 4. April 1911, R.G.E. (Civ.) 76 S. 121, u. O.L.G.
Colmar v. 18. März 1910, Els.-l. Z. 1911 S 1, wo es heißt: „Der Begriff der bürgerlichen Rechts-
streitigkeit im Sinne des § 13 G.V.G. wird weder dadurch allein erfüllt, daß mit der Klage ein
vermögensrechtlicher Anspruch verfolgt wird, noch wird er dadurch ausgeschlossen, daß öffentlich-
rechtliche Normen bei der zu treffenden Entscheidung zugrunde zu legen sind. Maßgebend ist vielmehr
die Natur des Rechtsverhällnisses, auf Grund dessen die Feststellung oder Leistung verlangt wird“
Einzelfälle. Der Rechtsweg ist unzulässig: über Ansprüche auf Herstellung von Vor-
kehrungen zur Beseitigung schädlicher Zuführungen in Fischereigewässer (R.G. v. 1. April 1911
Bd. 30 S 95); über die Frage der Besjeitigung einer auf offentlicher Straße errichteten Bedürfnis-
anstalt (O.L G. Colmar v. 11. Nov. 1905, Elf.-l. Z. 1906 S. 328); über die Entscheidung bezüglich
der erkannten Strafen wegen Verkehrssteuerhinterziehungen (O..G. Colmar v. 22. Dez 1906, Elf.-I.
3Z. 32 S. 571); für Klagen gegen den Militärfiskus auf Ersatz für Beschädigung eines während der
Manöver requirierten Pferdes L.G. Metz v. 23. Nov. 1897, Els.-I. Z. 23 S. 275); für die Be-
schädigung einer Parzelle (R.G. v. 29. Jan. 1895, Els.-I. Z. 21 S. 481); hinsichtlich § 73 Unfall-
vers. Ges (R.G. v. 18. Okt. 1898, Elf.-I. Z. 24 S. 179); hinsichtlich der Höhe der Notariatskosten
(L.G. Colmar v. 25. Nov. 1904, Els.-l. Z. 30 S. 575; vgl. dagegen O. L.G. Colmar v. 14. Febr.
1900, Els.-I. 3. 20 S. 219); hinsichtlich direkter Steuern (O. L.G. Colmar v. 3. Okt. 1905, Els. l.
Z. 51 S. 290); über die Frage der VBerpflichtung jur Leistung von Rechtshilse seitens der Amts-
erichte an die Landesversicherungsanstalt (R.G. v. 7. Febr. 1896, Elf.-I. Z. 21 S. 289) und betr. der
Peeverbehörde O. L. G. Colmar v. 28. Mai 1898, Els.-I. Z. 23 S. 462 u. 556; hinsichtlich der Be-
schwerde des Bezirkspräsidenten gegen eine Berfügung des Vormundschaftsgerichts, durch welche die
Genehmigung zum Antrag eines gesetzlichen Vertreters auf Entlassung eines Minderjährigen aus
der Staatsangehörigkeit erteilt wird (L.G. Colmar v. 21. April 1901, Els.-I. Z. 26 S. 452); hin-
sichtlich der Frage der Entschädigung wegen der Erteilung der Bauflucht vgl.Els.l. Z. 35 S. 584.
* * So richtig Kormann, Beziehungen zwischen Justiz u. Verwalt. Jahrb. f. öff. R. 1913
Fischbach, Elsaß Lothringen. 6