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Strafbestimmungen in den Gesetzen des Auslandes behaupten und deren Anwendung
in Anspruch nehmen, gehalten seyn soll, von Amtswegen fuͤr die Beibringung der-
selben thätig zu seyn, unterliegt keinem Anstande. Wird dagegen dem Nichter ferner
zur Pflicht gemacht, daß er auch dann, wenn er zufällig im Allgemeinen von einer
milderen Bestimmung auswärtiger Strafgesehe Kenntniß hat, in Fällen, in welchen
dieselbe zur Anwendung zu bringen wäre, ohne von dem Angeschuldigten oder dessen
Vertheidiger aufgefordert zu seyn, von Amtswegen die Erlangung der ofsftciellen
Bestätigung zu bewirken habe: so muß solches wohl nach eurer eigenen Meinung auf
diejenigen Fälle beschränkt werden, bei welchen der Richter nicht blos unzuverläßige
Muthmaßungen, sondern gegründete Ursache hat, das Vorhandenseyn solcher mil-
deren Bestimmungen anzunehmen. *
Zum Art. 15 (Ständische Ausgabe des Entwurfes Art. 102). Den Gerichten
bleibt in dem von euch unterstellten Falle anheimgegeben, von Amtswegen den Antrag
auf Verwandlung der zeitlichen Zuchthausstrafe in Freiheitsstrase auf einer Festung
oder in einer ihr gleichgestellren, selbstständigen Anstalt im Wege der Gnade Unserem
Justiz= Ministerium vorzulegen. Indem Wir somit diese von euch auogesprochene
braussetung als begründet anerkennen, finden Wir Uns zu Sicherung der richtigen
nwendung dieses Artikels noch veranlaßt, den Sinn besonders auszudrücken, in
welchem der vorliegende und die hiermit in Verbindung stehenden Art. 18 und 23
(Arr. 15 und 19 des Entwurfes) aufgefaßt worden sind. Der Zweck, für welchen
den Gerichten die in den erwähnten Artikeln angegebene Strafverwandlung eintreten
zu lassen gestattet ist, besteht unzweifelhaft darin, dem verurtheilten, gebildeten Ueber-
treter, welcher durch die Gemeinschaft mit rohen oder doch sehr ungebildeten Ver-
brechern, oder mit solchen, die durch die Beschaffenheit ihrer That niedrige Denkungsart
an den Tag gelegt haben, ein härteres Uebel erleiden würde, als das Geseß gewollt
bar, durch die ihm zugestandene Absonderung, und eine seinen bisherigen Verhält
allen und Angewöhnungen sich mehr annähernde Behandlung, die Strafe nach dem
rundsaße einer wahren inneren Gleichheit vor dem Geseße zuzumessen. Es dürfen
emnach bei der gerichtlichen Beurtheilung der Frage: ob im einzelnen Falle zu Er-
ennung der Surrogatstrafe Grund vorhanden sey, nicht blos die besonderen
aunstände des Verbrechens in Erwägung kommen, sondern es müssen zugleich
* die Bildungostufe und die bürgerlichen Verhältnisse des Uebertreters
vorber Art in Vetracht geogen werden, daß, wenn die lehteren Bedingungen nicht
wanden sind, es auf die erstere gar nicht mehr ankommt.