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aͤnderung dieses Zustandes ist durch die Edikte von 1818 und das Verwaltungs-Edikt vom
1. März 1822 so wenig eingeführt, daß vielmehr unzweideutige Gesetzesstellen die entgegen-
gesetzte Meinung des Gesetzgebers posttio darlegen.
Das Gesetz vom 1. März 1822, welches die Fälle genau bezeichnet, in welchen ein
Verwaltungs-Gegenstand zur Kenntniß der gesammten Bürgerschaft gebracht werden (§. 36),
oder wo die Mitwirkung des Bürger-Ausschusses an der Besorgung der Gemeinde-Angelegen-
beiten stattfinden soll, setzt nirgends die Anwesenheit des Publikums in den Sitzungen der
Gemeinderäthe voraus, sondern bestimmt im Gegentheil, daß im Falle einer fortdauernden
Meinungs-Verschievenheit zwischen Gemeinderath und Bürger-Ausschuß ver erste den letzten
zu entlassen und sodann erst seine Berathung fortzusetzen, abzustimmen und seinen Beschluß
zu ziehen habe (§.54). Ganz im Einklang biemit enthält jenes Gesetz vie allgemeine
Vorschrift, daß die Form der Verhaudlungen des Gemeinderaths collegialisch sey, das heißt,
in der bei Collegien gewöhnlichen Weise gescheben soll. Nach den in Württemberg und an-
derwärts geltenden Grundsätzen treten aber Collegien, so weit nicht Ausnahmen durch aus-
drückliche Bestimmungen gesetzlich verordnet sind, nur mit ihren Beschlüssen vor die Oeffent-
lichkeit, während die Verhandlungen, durch welche die Beschlüsse im wechselseitigen Austausch
der Ansichten zu Stande kommen, eine innere Angelegenheit ver Collegien bleiben.
In Absicht auf das Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten bestimmt endlich vas
vierte Evikt vom 31. December 1818, §J. 4, vaß über die Form der Versammlung des
Gemeinderaths die zu einem Beschlusse nöthige Anzahl von Mitglievern, die Art ver Be-
rathschlagungen und der Abstimmung die für vie Verhandlung der Gemeinveräthe in Ge-
meinde-Angelegenheiten gegebenen Vorschriften gelten. Allgemein anerkannt ist aber, daß der
gegenwärtig geltende Civil-Prozeß, dessen wesentliche Grundsäte auch für das Verfahren vor
den Gemeinve-Behörden maßgebenr sino, keine absolute, sondern nur eine Parteien-Oeffent-
lichkeit kennt. Ja selbst bei einer absoluten Oeffentlichkeit könnte voch unmöglich das Ur-
theilfinden, die Beratbschlagung und Abstimmung des Gerichts, ohne völlige Preisgebung
ver Gerechtigkeitspflege öffentlich stattfinden. Es ist somit klar, daß unsere Gesetze so wenig
bei gerichtlichen Streitigkeiten, als bei Gemeinde-Angelegenheiten eine Oeffentlichkeit ver
Verhandlungen der Gemeinderäthe kennen.
Ganz abgesehen von der Frage: ob nicht eine gesetzlich unbeschränkte Oeffentlichkeit der
Gemeinderatbs-Verhandlungen gar oft die unabhängige Ausübung der gemeinveräthlichen