Full text: Regierungsblatt für das Königreich Württemberg vom Jahr 1863. (40)

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2. Civil-Senat des K. Obertribunals. 
Gemeinbescheid, betreffend die Mitlheilung der Gerichtsakten in die Wohnungen der Rechtsanwälte. 
Aus Veranlassung von Beschwerden öffentlicher Rechtsanwälte darüber, daß ihnen bei 
vielen Gerichten des Landes die Mittheilung der Gerichtsakten in ihre Wohnungen verweigert 
werde, hat der Civil-Senat des K. Obertribunals im Einverständnisse mit dem K. Justiz- 
Ministerium in Betreff dieses Gegenstandes folgende Grunwsätze aufgestellt, welche Behufs 
der Herbeiführung einer gleichförmigen Behandlung hiemit öffentlich bekannt gemacht werden: 
I. Der Regel nach sind die Gerichtsacten, welche zur Einsichtnahme eines Rechts- 
anwalts bestimmt sind, demselben auf sein Verlangen in seine Wohnung mitzutheilen, vda 
es nicht nur eine erhebliche Geschäftserleichterung für die Anwälte, sondern auch für die 
Rechtspflege selbst förderlich ist, wenn die Acten von dem Anwalt ohne die mit der Ein- 
sichtnahme auf der Gerichtskanzlei verbundenen Störungen und ohne Beschränkung auf be- 
stimmte Stunden benützt werden können, ein gesetzliches Verbot der Mittheilung der Acten 
an die Anwälte aber in Absicht auf Civilrechts-Sachen nicht bestebt, vielmehr das 
Gesetz die Hinausgabe von Acten für einzelne Fälle sogar ausdrücklich vorschreibt. (Pro- 
visorische Verordnung vom 22. September 1819 §. 9. V. und F. 13. V. 2.) 
II. Die Ausfolge der Acten in die Wohnung des Anwalts kann jedoch verweigert 
werden, wenn vdessen Personlichkeit keine genügende Garantie für die unversehrte Erhaltung 
der Acten gewährt. 
III. Wichtige Orginal-Urkunden, sowie andere Actenstücke, an deren unversehrter Erhaltung 
besonders viel gelegen ist, desgleichen Acten, welche dem Gerichte unter der Bedingung, vaß 
sie nicht aus dessen Verwahrung kommen, anvertraut sind, sind von den hinauszugebenden 
Acten aus zuscheiden, und es ist deren Einsichtnahme nur auf der Gerichtskanzlei zu gestatten. 
IV. Die Gerichte haben die mitzutheilenden Acten, soweit sie nicht gebunden oder ge- 
beftet sind, zuvor zu verzeichnen oder wenigstens mit fortlaufenden Nummern zu versehen 
Bei umfangreicheren Hülfsacten jedoch, zu deren Verzeichnung oder Numerirung außerdem. 
keine Veranlassung vorliegt, sind die Kosten von der Partei, deren Anwalt die Mittheilung 
verlangt, zu tragen. · 
V. Die Mittheilung der Acten in die Wohnung des Anwalts hat stets. nur gegen 
specielle Empfangsbescheinigung zu gescheben. 
Beschlossen im Civil-Senate des K. Obertribunals, 
Stuttgart, den 13. Januar 1863. Pfizer.
	        
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