Full text: Regierungsblatt für das Königreich Württemberg vom Jahr 1872. (49)

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8. 1. 
Die vorläufige Entlassung nach Maßgabe der Bestimmungen in den 88. 283 —26 
des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich kann solchen Personen, welche nach bis- 
herigem Recht zu zeitlicher Zuchthaus= oder längerer Arbeitshaus-, Festungs-, Zucht- 
polizeihaus= oder Kreisgefängnißstrafe oder nach dem Strafgesetzbuch für das Deutsche 
Reich zu längerer Zuchthaus= oder Gefängnißstrafe verurtheilt worden sind, bewilligt 
werden, wenn sie drei Viertheile, mindestens aber Ein Jahr der ihnen auferlegten Strafe 
verbüßt, sich auch während dieser Zeit gut geführt haben. 
Die Bewilligung kann von dem Vorstand der betreffenden Strafanstalt oder von 
dem Strafanstaltenkollegium beantragt werden (vergl. S. 4.). 
Der Gefangene kann die vorläufige Entlassung in keinem Fall als ein Recht in 
Anspruch nehmen. 
8. 2. 
Die vorläufige Entlassung ist nur dann zu beantragen, wenn der Gefangene sich 
während der Strafzeit so gut geführt hat, daß eine eingetretene Besserung desselben an- 
genommen und ihm in Bezug auf sein künftiges Verhalten Vertrauen geschenkt werden 
kann. Außer dem Gesammtverhalten des Gefangenen während der Erstehung der Strafe 
kommt hiebei sein Vorleben und seine ganze Persönlichkeit in Betracht. 
§. 3. 
Die vorläufige Entlassung kann nur eintreten, wenn außerdem eine zureichende 
Gewähr dafür gegeben ist, daß der Gefangene an dem Ort, an welchen er entlassen 
werden soll (Entlassungsort), Aufnahme und sein Fortkommen, insbesondere Gelegenheit 
zu ehrlichem Erwerb finden werde, und wenn nicht durch die Verhältnisse, in welche er 
dort eintreten würde, die Besorgniß begründet ist, daß er zu einer ungeordneten Lebens- 
weise oder neuen Gesetzesübertretungen verleitet werden möchte. 
Der Vorstand der Strafanstalt hat sich hierüber mit der betreffenden Polizeibehörde, 
in geeigneten Fällen mit dem Verein zur Fürsorge für entlassene Strafgefangene oder 
Vertrauen verdienenden Privatpersonen in das Vernehmen zu setzen. 
Die Vernehmung des Gefangenen selbst ist, wenn nicht von ihm die vorläufie 
Entlassung in Anregung gebracht worden, im Anstand zu lassen, bis auf den Antrag 
eine eventuell gewährende Entschließung erfolgt ist.
	        
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