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Art. 23.
Die Organe der öffentlichen Armenpflege sind ermächtigt, mit Genehmigung des
Ministeriums des Innern für die öffentlichen (Orts= oder Land-) Armenanstalten Haus-
ordnungen zu erlassen, durch welche den Vorgesetzten eine Disciplinarstrafgewalt bis zu
zwei Tagen Haft übertragen werden kann. Gegen derartige Erkenntnisse findet ein ein-
maliger Rekurs nach Maßgabe des Gesetzes vom 26. Juni 1821, betreffend den Rekurs
in außergerichtlichen Strafsachen, statt. Der Vollzug der erkannten Strafen erfolgt in
der Anstalt selbst oder auf Requisition des Vorstandes im Ortsgefängnisse.
Nach Maßgabe der genehmigten Hausordnung üben jene Organe oder die mit der
unmittelbaren Leitung einer Anstalt Beauftragten über die darin ausgenommenen Per-
sonen die Hausdisciplin.
Wiederholte Uebertretung der Hausordnung wird mit Haft bis zu 8 Tagen be-
straft. Die Untersuchung und das Erkenntniß kommt den Ortspolizeibehörden inner-
halb ihrer gesetzlichen Strafbefugnisse, in schwereren Fällen den Oberämtern zu. Diese
Behörden haben die in §. 362 Abs. 1 des Reichsstrafgesetzbuchs enthaltenen Befugnisse.
Art. 24.
Die für den Betrag der Erstattungsforderungen der Armen-Verbände maßgebenden
Tarife (Reichsgesetz vom 6. Juni 1870, §. 30 Abs. 3) werden von dem Ministerium
des Innern aufgestellt.
Art. 25.
Die Landarmen-Verbände sind verpflichtet, denjenigen ihrem Bezirk angehörigen
Ortsarmen-Verbänden eine Beihilfe zu gewähren, welche durch Erfüllung der ihnen ob-
liegenden Verpflichtungen überbürdet werden, sowie die Zahlung und Erstattung der
ihnen auferlegten Kosten, welche sie ganz oder theilweise zu tragen außer Stande sind,
zu übernehmen (§. 59 des Reichsgesetzes über den Unterstützungswohnsitz vom 6. Juni
1870).
Die Beihilfe kann in Geld oder mittelst Bereitstellung von Pflegeanstalten oder in
sonst geeigneter Weise geschehen.
Ob und welche Beihilfe zu leisten ist, entscheidet im Streitfalle die dem betreffen-
den Landarmen-Verband vorgesetzte Kreisregierung, in zweiter Instanz endgiltig das Mi-
nisterium des Innern.