286 Antritt der Regentschaft. 1857
stets bereit, bei der Bildung seiner Ansichten seine Wünsche
guten Gründen unterzuordnen. Denn in ihm lebte eine
seltene Verbindung von Festigkeit und Biegsamkeit des
Geistes, wie sie im Gegensatze zum Doctrinär den wirk-
samen Staatsmann charakterisirt. Bis an sein Lebensende
blieb er unerschütterlich in seinen conservativen Grundsätzen,
erkannte aber ohne Widerstreben an, daß in veränderten
Zeiten auch die Mittel zur Bewahrung der Macht sich ändern,
und die fortschreitende Reform die bleibende Bedingung der
Erhaltung ist. Wie sich versteht, war er durchdrungen von
der Nothwendigkeit einer starken Monarchie in dem durch seine
Monarchen gegründeten, aus vereinzelten Provinzen zusammen-
gesetzten, von eifersüchtigen Nachbarn umgebenen Staate.
Hier mußte eine von festen politischen Überlieferungen ge-
leitete Centralgewalt bestehen, unabhängig von den täglichen
Schwankungen der öffentlichen Meinung; der Zwang zum
Ministerwechsel bei jedem Wechsel der Kammermehrheit würde
hier eine tödtliche Gefahr, nicht bloß im Innern für die
Würde der Krone, sondern auch für die Sicherheit des
Staats nach Außen sein. Weit entfernt aber war der Prinz,
hicraus die Nothwendigkeit eines absolutistischen Regiments
zu folgern. „Ich will nicht untersuchen, sagte er bald nach-
her dem König Max von Bayern, ob Constitutionen heilsam
sind. Aber wo sie existiren, soll man sie halten, und nicht
durch gezwungene Interpretationen verfälschen. Ich habe
lange genug gesehen, welchen Schaden das Ministerium Man-
teuffel auf diese Weise gethan hat. Die constitutionelle Idee,
daß die Regierungsmaaßregeln an die Offentlichkeit gezogen,
und das Volk gesetzlich zur Theilnahme an der Gesetzgebung
berechtigt wird, ist in das Volksbewußtsein eingedrungen.