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Verfügung des Ministeriums des Kirchen- und Schulwesens,
betreffend die Reifeprüfung an den neunklassigen höheren Schulen für die männliche Jugend.
Vom 16. Mai 1911.
§ 1. Zweck der Prüfung.
Zweck der Reifeprüfung ist, zu ermitteln, ob sich der Schüler das dem Lehrziel
einer Vollanstalt entsprechende Maß von Schulbildung angeeignet und die nötige Reife
für ein selbständiges wissenschaftliches Studium erworben hat.
§ 2. Berechtigung zur Abhaltung der Prüfung.
Zur Abhaltung von Reifeprüfungen sind berechtigt: die staatlich anerkannten Gym-
nasien, Realgymnasien und Oberrealschulen.
§ 3. Zulassung zur Prüfung.
1. Zu der Prüfung werden solche Schüler der obersten Klasse zugelassen, die dieser
mindestens seit Beginn des Schuljahrs als ordentliche Schüler angehört haben.
Ist ein ordentlicher Schüler auf Grund der bestehenden besonderen Vorschriften
vom Unterricht in Religion oder Turnen befreit worden, so wird dadurch seine Zulassung
zur Prüfung nicht berührt.
Verteilt sich bei einem Schüler der einjährige Besuch der obersten Klasse auf
mehrere gleichartige Anstalten, so ist die Zulassung nicht zu versagen, vorausgesetzt, daß
der Anstaltswechsel nicht in ungerechtfertigter Weise erfolgt oder durch disziplinäre
Gründe veranlaßt ist.
2. Schüler aus dem deutschen Reich, welche die württembergische Staatsangehörigkeit
nicht besitzen, werden zur Reifeprüfung an einer württembergischen Vollanstalt zugelassen,
wenn sie spätestens mit Beginn des drittletzten Jahrgangs in eine württembergische
Schule eingetreten oder durch den Wohnsitz ihrer Eltern oder der Stellvertreter der
letzteren auf eine württembergische Schule angewiesen sind.
Treffen diese Voraussetzungen nicht zu, so können solche Schüler mit Rücksicht
auf besondere Verhältnisse ausnahmsweise zugelassen werden, wenn ihnen die Unter-
richtsverwaltung des Bundesstaats, dem sie angehören, die Erlaubnis zur Ablegung der