eine fanatische Empörung gegen den Kaiser und seine Regierung und gegeı
Großbritannien. Dieser Empörung gab man Ausdruck in der Presse, durch
Flugschriften und Flugblätter; jeder neue Sieg der Buren wurde in den
großen Städten gefeiert, vielfach auf der Straße und durch Versammlungen
mit Kundgebungen. Aufs höchste steigerten sich die Leidenschaften, als
Präsident Krüger mit einem holländischen Schiff nach Europa kam, um dort
noch eine letzte Hilfe gegen den Untergang der beiden Republiken zu suchen.
Auf sein Telegramm an den Kaiser erhielt er die Antwort, Wilhelm II.
könne ihn wegen bereits getroffener Dispositionen nicht empfangen, allen
amtlichen Stellen in Deutschland wurde verboten, mit Krüger in irgend-
welche Verbindung zu treten. Es wollte immerhin etwas sagen für die Stim-
mung in Deutschland, wenn — um nur ein Beispiel herauszugreifen -— die
amtliche ‚Königlich Leipziger Zeitung‘' damals schrieb:
„Der Präsident geht nicht nach Berlin, da der Kaiser es abgelehnt hat, ihn
zu empfangen. Es steht uns nicht zu, die Gründe zu prüfen, die für diese Ent-
scheidung maßgebend waren. Aber ein tiefes Bedauern wird durch das ganze
Volk gehen, daß ein solcher Empfang des greisen Helden durch unseren
Kaiser nicht möglich war.‘
In Berliner Kirchen wurde von Hofpredigern Fürbitte für den Präsidenten
Krüger gehalten. In einer Münchener Versammlung wurde eine Entschlie-
Bung gefaßt: ‚Die Versammlung gibt der nationalen Entrüstung über die
dem Präsidenten Krüger zuteil gewordene Behandlung Ausdruck und er-
wartet, daß die Reichsregierung den gemachten Fehler beim Empfange des
Präsidenten in Berlin gutmachen werde.‘
So ging esin zahllosen Versammlungen. Im weiteren Verlaufe kam esdann
zu einem öffentlichen Wortwechsel zwischen dem großbritannischen Kolo-
nialminister Chamberlain und Bülow — jener in einer Öffentlichen Ver-
sammlung, dieser im Reichstag —, der die Spannung zwischen Deutschland
und Großbritannien wieder erhöhen mußte.
Um in diesem Zusammenhange noch eine andere Phase der deutsch-eng-
lischen Beziehungen zu erwähnen, die auch späterhin häufig Gegenstand
öffentlicher Auseinandersetzungen gewesen ist: im Jahre 1901 ließ der
britische Kolonialminister Chamberlain in Berlin anfragen, ob man für ein
Bündnis zu haben sei. Dieses solite sich in der Hauptsache gegen Rußland
richten und gegen dessen Expansion auf Indien hin und auch im Fernen
Osten. Die Besprechungen zerschlugen sich schnell, einmal weil England
keine Gegenwerte bot, ferner weil die Haltung des Parlaments einem solchen
Bündnis nicht geneigt war. Man wird auch heute noch sagen müssen, daß die
ablehnende deutsche Haltung unter solchen Umständen richtig gewesen ist.
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