Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1904. (38)

Die höhere Verwaltungsbehörde kann für den Umfang ihres Bezirkes oder 
für Teile desselben anordnen, daß zureisende Fremde oder ortsansässige Personen, 
welche sich innerhalb der letzten vierzehn Tage vor ihrer Ankunft in einem von 
den Pocken betroffenen Bezirk oder Orte aufgehalten haben, nach ihrer Ankunft 
der Ortspolizeibehörde binnen einer zu bestimmenden möglichst kurzen Frist schrift- 
lich oder mündlich zu melden sind. Derartige Personen können als ansteckungs- 
verdächtig angesehen und der Beobachtung unterworfen werden. 
Eine verschärfte Art der Beobachtung, verbunden mit Beschränkungen in 
der Wahl des Aufenthalts oder der Arbeitsstätte (zum Beispiel Anweisung eines be- 
stimmten Aufenthalts, Verpflichtung zum zeitweisen persönlichen Erscheinen vor 
der Gesundheitsbehörde, Untersagung des Verkehrs an bestimmten Orten) ist 
solchen Personen gegenüber zulässig, welche obdachlos oder ohne festen Wohnsitz 
sind oder berufs= oder gewohnheitsmäßig umherziehen, zum Beispiel fremdländische 
Auswanderer und Arbeiter, fremdländische Drahtbinder, Zigeuner, Landstreicher, 
Hausierer. 
2. Zu § 14. An den Pocken erkrankte oder krankheitsverdächtige Personen 
sind ohne Verzug unter Beobachtung der Bestimmungen im § 14 Abs. 2 und 3 
des Gesetzes abzusondern. Als krankheitsverdächtig sind solche Personen zu be- 
trachten, welche unter Erscheinungen erkrankt sind, die den Ausbruch der Pocken 
befürchten lassen. 
Ansteckungsverdächtige Personen (Nr. 1) sind abzusondern, 
a) wenn anzunehmen ist, daß sie weder mit Erfolg geimpft sind, noch 
die Pocken überstanden haben; 
D) wenn sie mit einem Pockenkranken in Wohnungsgemeinschaft leben oder 
sonst mit einem solchen Kranken oder mit einer Pockenleiche in un- 
mittelbare Berührung gekommen sind. In diesem Falle kann jedoch 
die Absonderung unterbleiben, sofern der beamtete Arzt die Beobachtung 
(Nr. 1) für ausreichend erachtet. 
Die Absonderung ansteckungsverdächtiger Personen darf die Dauer von 
vierzehn Tagen, gerechnet vom Tage der letzten Ansteckungsgelegenheit, nicht 
übersteigen und ist in dem Falle unter a aufzuheben, sobald der Nachweis der 
erfolgten Impfung erbracht wird. 
Zur Fortschaffung von Kranken und Krankheitsverdächtigen sollen dem 
öffentlichen Verkehre dienende Beförderungsmittel (Droschken, Straßenbahnwagen 
und dergleichen) in der Regel nicht benutzt werden (vergleiche Nr. 5). 
Wohnungen oder Häuser, in denen an den Pocken erkrankte Personen sich 
befinden, sind kenntlich zu machen. 
Denjenigen Personen, welche der Pflege und Wartung von Pockenkranken sich 
widmen, ist aufzugeben, den Verkehr mit anderen Personen solange als erforderlich 
tunlichst zu vermeiden; auch haben sie die von dem beamteten Arzte für nötig 
befundenen Maßnahmen gegen eine Weiterverbreitung der Krankheit zu beobachten. 
19°“
	        
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