Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1904. (38)

— 321 — 
Reichs-Gesetzblatt. 
Inhalt: Gesetz, betreffend die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft. S. 321. 
  
  
  
(Nr. 3069.) Gesetz, betreffend die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft. 
Vom 14. Juli 1904. 
  
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König 
von Preußen etc. 
verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats 
und des Reichstags, was folgt: 
 § 1. 
Personen, die im Strafverfahren freigesprochen oder durch Beschluß des 
Gerichts außer Verfolgung gesetzt sind, können für erlittene Untersuchungshaft 
Entschädigung aus der Staatskasse verlangen, wenn das Verfahren ihre Unschuld 
ergeben oder dargetan hat, daß gegen sie ein begründeter Verdacht nicht vorliegt. 
Außer dem Verhafteten haben diejenigen, denen gegenüber er kraft Gesetzes 
unterhaltspflichtig war, Anspruch auf Entschädigung. 
§ 2. 
Der Anspruch auf Entschädigung ist ausgeschlossen, wenn der Verhaftete 
die Untersuchungshaft vorsätzlich herbeigeführt oder durch grobe Fahrlässigkeit ver- 
schuldet hat. Die Versäumung der Einlegung eines Rechtsmittels ist nicht als 
eine Fahrlässigkeit zu erachten. 
Der Anspruch kann ausgeschlossen werden, wenn die zur Untersuchung 
gezogene Tat des Verhafteten eine grobe Unredlichkeit oder Unsittlichkeit in sich 
geschlossen hat oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden 
Trunkenheitszustande begangen worden ist oder wenn aus den Tatumständen 
erhellt, daß der Verhaftete die Verübung eines Verbrechens oder Vergehens vor- 
bereitet hatte. 
Der Anspruch kann auch dann ausgeschlossen werden, wenn der Verhaftete 
zur Zeit der Verhaftung sich nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befand 
oder unter Polizeiaufsicht stand oder wenn gegen den Verhafteten auf Grund des 
Reichs-Gesetzbl. 1904. 65 
Ausgegeben zu Berlin den 29. Juli 1904.
	        
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