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durch Verstand und Kraft. Einheit ist allmächtig, deshalb
keine Spaltung, kein Widerstreit unter uns. In sofern wir
Grundsätze haben, sind sie uns allen gemen Was
der Mensch auch ergreife und handhabe, der Einzelne ist sich
nicht hinreichend, Gesellschaft bleibt eines wackern Mannes
höchstes Bedürfnis. Alle brauchbaren Menschen sollen in
Bezug unter einander stehen, wie sich der Bauherr nach den
Architekten und dieser nach Maurer und Zimmermann
umsiehtt..w .....
Niemand sehen wir unter uns, der nicht zweckmäßig
seine Thätigkeit jeden Augenblick üben könnte, sich immer
wohl empfohlen, aufgenommen und gefördert, ja von Un-
glücksfällen möglichst wieder hergestellt finden werde. Drei
Pflichten sodann haben wir auf's strengste übernommen:
jeden Gottesdienst in Ehren zu halten, — ferner alle
Regierungsformen gelten zu lassen, und schließlich: die Sitt-
lichkeit ohne Pedanterie und Strenge zu üben und zu fördern,
wie es die Ehrfurcht vor uns selbst verlangt.“
Bei alledem aber hat die Einrichtung des „Bundes“ in
Wilhelm Meisters Lehr= und Wanderjahren nicht die mindeste
Ahrlichkeit mit der Freimaurerei (ehermit den Illuminaten) und
verbindet auf mystische, ja bizarre und utopistische Weise die
Geheimnissucht und die „.unbekannten Oberen“ des 18. mit
der praktischen Thatkraft des 19. Jahrhunderts.
Ein moderneres Seitenstück zu Wilhelm Meister, das
sich von dem Nebelhaften dieses Werkes frei hält und klare
Ereignisse, wie nicht minder plastische Persönlichkeiten schildert,
auch lokale, nationale und historische Färbung hat, aber den-
noch nicht in die Wirklichkeit, sondern in das Reich der
Phantasie greift, sind Karl Gutzkow's „Ritter vom Geiste."
Der Dichter geht von der Voraussetzung aus, daß der Frei-
maurerbund nicht den Beruf habe, für die Zukunft zu wirken;
er wirft demselben Lauheit gegen die bewegenden Fragen
der Zeit und zu große Ergebenheit an den materiellen Ge-
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