Full text: Die Gebrechen und Sünden der Sittenpolizei aller Zeiten, vorzüglich der Gegenwart.

beschämenden Anachronismus. Dies ist aber kein Grund, 
den Kampf gegen sie aufzugeben. Man darf nicht ihr endliches 
Aussterben ruhig abwarten, sondern muß auf ihre möglichst 
rasche Unterdrückung hinarbeiten; denn diese Arbeit ist ein 
notwendiger Bestandteil des Kampfes gegen die Unsittlichkeit 
überhaupt einerseits und gegen die Unsicherheit des weiblichen 
Geschlechtes gegenüber den Seelenverkäufern anderseits. 
Die Bordellfreunde glauben endlich den höchsten Trumpf 
auszuspielen, indem sie behaupten, daß diese ihre Lieblings- 
häuser den Einbruch gewaltthätiger Unzucht in die Familien 
verhindern, die Ehre der rechtschaffenen Frauen und Töchter 
schitzen. Diese kühne Behauptung ist schon durch die eine 
Thatsache hinfällig, daß dies auch von der heimlichen und 
vereinzelten Prostitution gesagt werden könnte, wenn es 
wahr wäre. Es ist aber durchaus unwahrscheinlich, daß, bei 
Wegfall der Bordelle oder der vereinzelten Prostitution oder 
beider, diejenigen Männer, welche bisher diesen Gelegenheiten 
nachgingen, sich nun sofort auf die Verführung oder Ver- 
gewaltigung ehrbarer weiblicher Personen verlegen würden. 
Noch sprechender aber ist der Umstand, daß die amtliche 
„Regelung“ der Prostitution die ehrbaren Frauen nicht 
gegen unbemittelte Wüstlinge schützt, welche die in den 
Bordellen und von Seite einzelner Dirnen übliche Ausbeutung 
nicht zu bestreiten vermögen. Zur Verhütung solchen Greuels 
sind ja die Strafgesetze und die Polizei da. Ubrigens 
geben wir uns nicht der Täuschung hin, als ob die geheime 
Prostitution jemals völlig auszurotten wäre. Dagegen 
darf der Staat, wenn er seiner Würde gerecht sein will, 
dieselbe niemals begünstigen, indem er z. B. Personen durch 
Einschreibung mit oder ohne Karten gestattet, sich diesem 
ekeln Berufe zu widmen. Dies widerstreitet seiner Aufgabe 
beinahe ebenso sehr, wie die Gestattung von Bordellen. 
Man führt zu Gunsten dieses Systems, welches sowohl in 
Bordellstaaten neben den Bordellen, als in bordellfreien
	        
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