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Der indische Nationalkongreß bezeugte diesen Bestrebungen
seine lebhafte Sympathie. Aber der Beschluß des Parlaments
wurde in Indien umgangen und die angeblich vorgenommenen
Verbesserungen waren nur Schein. — Leider scheint dagegen
noch keine Maßregel getroffen zu sein, um ein anderes, noch
schreienderes Übel in der Wurzel zu zerstören, nämlich die
in London in einem fast unglaublichen Grade grassierende
Kinderprostitution. Ein dortiger Polizeibeamter, Mr.
Howard Vincent, berichtet hierüber: „Es giebt in vielen
Teilen von London Häuser, in denen Leute wohnen, welche
Kinder zum Zwecke der Prostitution denjenigen Wüstlingen
verschaffen, die solche verlangen.“ Ja, noch mehr! In
Haymarket, Waterloo Place und Piccadilly sieht man jeden
Abend vom Dunkelwerden an Kinder von 14, 15 und 16
Jahren herumgehen und sich offen zur Prostitution anbieten,
und dies geschieht mit Wissen und Willen der Eltern und
zum „Vorteile“ der Haushaltung. Der Polizeibeamte Joseph
Dunlap erzählte vor der zu Erkundigungen über diese Dinge
aufgestellten Kommission des Oberhauses, er habe in einem
Hause, wo er einen Bordellhalter verhaften sollte, in jedem
Zimmer einen „ältern“ Herrn mit zweien (I) solcher Kinder
im Bette gefunden, welche den Polizeimann auslachten, daß
er ihnen nichts anhaben durfte! Er erfuhr, daß der „Herr“
jedem Kinde 6 Shillings und ebensoviel für das Zimmer
zahlte. Manche dieser Mädchen haben (natürlich nur vorüber-
gehend) „Glück“ und „verdienen“ so viel, daß sie bald in
besseren Kleidern und endlich in Seide und Atlas auftreten.
Dunlap sah ein solches Unglückskind mit zugeknöpften Stiefelchen
bis an das halbe Bein, kurzen Röckchen, einer engen Polonaise,
das Haar über dem Rücken herabhängend und die Finger
mit Ringen bedeckt, welches an einer Straßenecke auf den
Polizeiwagen wartete, um „ihren Mann“ zu sehen, wie sie
einen jungen Menschen nannte, der mit der Polizei in Konflikt
gekommen war; sie war nicht über 13 Jahre alt. Solche
Dr. Otito Henne am Rhünn, Sittenpolizei. 9