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Hetären, die aber diesen Namen nicht führen durften, sondern
ihn den reicheren Buhlerinnen überlassen mußten. Wie
bekannt, spielten diese im griechischen Leben, besonders in
Athen, eine große Rolle, sie ersetzten den vornehmen und
hochstehenden Hellenen den Geist, den sie an ihren in häus—
licher Zurückgezogenheit lebenden Frauen vermissen mußten.
Es war nämlich in Griechenland allgemeine Sitte, daß die
ehrbaren, d. h. in der Familie lebenden Frauen, um von
jeder Beschädigung ihres guten Rufes frei zu bleiben, auf
die Gynaikonitis (das Frauenhaus) angewiesen und vom öffent—
lichen Leben ausgeschlossen waren. Die Griechen waren aber
nicht der Art, daß sie in ihrem vorzugsweise öffentlichen
Leben auf bildenden Umgang mit dem weiblichen Geschlechte
verzichten konnten und wollten. So bot ihnen nur das
Hetärenwesen das, was heute gemischte Gesellschaften bieten
— sollen, nämlich geistreiche Unterhaltung. Natürlich waren
bei solcher nur die besseren Hetären beteiligt, d. h. jene,
welche dem Geiste vor materiellen Rücksichten und Gelüsten
den Vorzug gaben. Der Umgang mit Hetären, namentlich
den besseren, hatte für den Mann nichts Ehrenrühriges,
und selbst die Hetären wurden nur dann verachtet, wenn
sie sich im Pfuhle schlechter, d. h. ruhm= und geistloser
Gesellschaft bewegten. Natürlich sahen die Ehefrauen solchen
Umgang nicht gerne; allein sie konnten ihn nicht verhindern,
und eine Klage dagegen hätte keinen Erfolg gehabt und
wäre unter damaligen und dortigen Verhältnissen einfach
lächerlich gewesen. Die Behörden duldeten das Hetären-
wesen absichtlich, wie es scheint, um der Übervölkerung vor-
zubeugen. Ja es kommen sogar gerichtliche Entscheidungen
vor, welche uns staunen machen. Nach athenischem Gesetze
sollte jede Fremde, welche einen Bürger heiratete, als Sklavin
verkauft werden. Mit Berufung hierauf wurde die Hetäre
Neaira, welche der Athener Stephanos zur Frau genommen,
vor Gericht verklagt und bei dieser Gelegenheit durch Zeugen-