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Wie sehr dieser Beschluß der öffentlichen Meinung ent—
sprach, zeigte die beinahe vollständige Bestätigung des Ge—
meinderates bei dessen Neuwahl im Januar 1881, namentlich
cuch diejenige von Yves Guyot.
Leider aber war die Sache ohne Erfolg. — Die „Sitten-
brigade“ wurde allerdings aufgehoben, aber in die Sicher-
heitsbrigade einverleibt, d. h. die letztere setzte nur in ver-
stärktem Maße fort, was sonst die erstere besorgt hatte.
Die willkürlichen Verhaftungen und der Zwang zu ärztlichen
Untersuchungen blieben unverändert. Statt 84 funktionierten
jetzt 330 Leute im Gebiete der Sittenpolizei, d. h. machten
Jagd auf Frauen ohne Unterschied zwischen Schuld und
Unschuld, ließen aber die Männer ungeschoren! Der bereits
erwähnte Polizeipräfekt Andrieux hatte es so zu drehen
und zu wenden gewußt. Die Beschwerden des Gemeinde-
rates gegen diese Entwickelung wurden von der Regierung,
die sich ihres Geschöpfes Andrieux annahm, niedergeschlagen.
Ja sogar die Deputiertenkammer nahm mit 374 gegen 72
Stimmen Partei für Andrieux gegen den Gemeinderat!
Am 29. März 1881, 4½ Uhr nachmittags, begab sich
die Witwe Eyben in Paris nach der Passage der Panoramas,
um hier ihre zwei Kinder zu erwarten, die aus der Schule
kommen sollten. In der Besorgnis, zu spät zu kommen,
schnell gehend, wurde sie von drei Männern angehalten,
welche „das schöne Kind“", wie sie sie nannten, aufforderten,
ihnen nach dem Posten zu folgen und sie ungeachtet ihres
Widerstandes dahin führten. Umsonst waren ihre Bitten;
sie wurde bis 8 Uhr abends festgehalten, dann in ein Ge-
fängnis gesperrt und mitternachts im Zellenwagen nach der
Polizeipräfektur geschleppt, wo sie zwei Tage in einer Zelle
schmachtete. Endlich wurde sie verhört und der Widersetz-
lichkeit gegen die Polizei angeklagt. Erst am dritten Tage
wurde sie entlassen, aber schon am vierten vor den Sub-
stituten des Polizeipräfekten gerufen und aufgefordert, zu
Dr. Otto Henne am Rhyn, Sittenpolizei 6