Full text: Die Gebrechen und Sünden der Sittenpolizei aller Zeiten, vorzüglich der Gegenwart.

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eine solche Unsicherheit der für solche (angeblich) gehaltenen 
Frauen bestanden hat, wie in der französischen „Republik“! 
Denn durchaus dasselbe geschah in ganz Frankreich und in 
dessen Kolonien. In Lyon z. B. wurde eine Frau, von 
welcher die Polizei glaubte, sie prostituiere sich, verhaftet, 
zwölf Tage eingesperrt, dann entlassen, aber nochmals fünf 
Tage gefangen gehalten, und konnte schließlich ihre volle 
Unschuld beweisen! 
Vor der Assisen des Departements der Niederpyrenäen 
erschien am 15. November 1886 der gewesene Central-Polizei— 
kommissär von Bayonne, Namens Durand, unter der Anklage, 
daß er sich an verschiedenen Orten seiner „Laufbahn“, namentlich 
in Poitiers und Bayonne, von den Bordellwirtinnen durch 
eine monatliche Abgabe von 50 Fr., sowie durch Geschenke 
an Wein, Liqueurs, Cigarren, Wäsche und Kleidungsstücken 
für sich und seine Familie bestechen ließ, so daß er auf diese 
Weise mehrere tausend Francs bezog, und daß er überdies 
Mädchen von anrüchigem Lebenswandel mit ärztlicher Unter- 
suchung und strafrechtlicher Verfolgung bedrohte, wenn sie 
sich ihm nicht preisgäben. Auch wollte er der Frau eines 
wegen Diebstahls Angeklagten die Straflosigkeit des Letzteren 
zusichern, wenn sie ihm zu Willen sei. Obschon guter Hoff- 
nung, wurde sie von dem Wüstling durch die Drohung, ihren 
Mann einzukerkern, bewältigt. Mehrere andere Frauen klagten 
den Musterbeamten ähnlichen Vorgehens an. Der Kerl wurde 
nur zu zwei Jahren Gefängnis und 200 Fr. Buße ver- 
urteilt! 
Und so ging es weiter. Im Gebiete der Sittenpolizei, 
vornehmlich in Paris, blieb Alles beim Alten. Am 20. Februar 
1890 wurde eine Madame Monnier in den Markthallen von 
sog. Agenten angehalten und vor den Polizeikommissär Véron, 
einem besonders eifrigen Sportsman in der Verfolgung an- 
geblich verdächtiger Frauen geführt, acht Tage gefangen 
gehalten und dann nicht nur ohne Entschuldigung, sondern 
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