Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

100 Das Staatsbürgerrecht. (8. 54.) 
Ausnahmen. Es sind nämlich von der Wehrpflicht befreit a) die Mitglieder 
der regierenden Häuser der Einzelstaaten des Reiches, und b) die Mitglieder der 
mediatisierten, vormals reichsständischen und derjenigen Häuser, welchen 
die Befreiung von der Wehrpflicht durch Verträge zugesichert worden ist 
oder auf Grund besonderer Rechtstitel zusteht.! (§. 1, Abs. 1, Satz 2 des Ges. v. 
9. Nov. 1867.)) Dazu kommen die Angehörigen der Insel Helgoland und ihre vor 
dem 11. Aug. 1890 geborenen Kinder.) Eine Befreiung der Mitglieder des 
geistlichen Standes, wie sie das kanonische Recht fordert (privilegium immunitatis) 
kennt das deutsche Reichsrecht nicht, wohl aber enthält das formell nur eine „Zurück- 
stellung“ bietende Ges. v. 8. Febr. 1890 (R. G. Bl. S. 23) in Wirklichkeit eine fast 
vollständige Befreiung der römisch-katholischen Theologen von der verfassungs- 
mäßigen Wehrpflicht, steht somit, nicht seiner Form, aber seinem Inhalt nach, im Wider- 
spruch zur Reichsverfassung (s. hierüber S. 112, Note 2). 
Andererseits besteht eine Erweiterung des Grundsatzes des Art. 57 der Reichs- 
verfassung, beziehungsweise des ersten Satzes des §. 1 des Gesetzes v. 9. Nov. 1867 
insofern, als nach §. 11 des Reichsmilitärgesetzes v. 2. Mai 1874 auch Personen wehr- 
pflichtig sein können, welche die Reichsangehörigkeit nicht besitzen." An sich ist die Wehr- 
pflicht, kraft deren dem Staat Leib und Leben zur Verfügung gestellt werden muß, Unter- 
tanenpflicht; zu der in der Wehrpflicht liegenden Pflicht der Treue kann 
grundsätzlich nur der Staatsangehörige seinem Staate verpflichtet sein. 
Staatsfremde bedürfen zum Eintritt ins Heer besonderer Zulassung.? Nach der Be- 
  
1 Den vormals unmittelbaren deutschen Reichs= die Exemtion der mediatisierten Häuser aufrecht 
ständen war im Art. XIV der D. Bundesakte für erhalten. (Vgl. die Erklärungen des Berichterstatters 
sich und ihre Familien die Freiheit von der Reichstagsabgeordneten Twesten in den Stenogr. 
Militärpflicht zugesichert. Bei der Beratung des Ber. 1867, Bd. I, S. 471 ff., und den Beschluß 
G. v. 9. Nov. 1867 wurde von der Kommission des ebendas., S. 473—474). Die Richtigkeit der von 
Reichstages (vgl. den Ber. v. 12. Okt. 1867 zum dem Reichstage angenommenen Ansicht ist übrigens 
#§§. 1 des Entw., in den Stenogr. Ber. des bei den Verhandlungen keineswegs unbestritten 
Reichstags 1867, Bd. II, Aktenst. Nr. 91, S. geblieben (vgl. Stenogr. Ber., a. a. O. S. 463). 
157) angenommen, daß zwar mit der Aufhebung Vgl. auch oben S. 49. 
der Bundesakte die völkerrechtliche Garantie für „ Der Entwurf des G. v. 9. Nov. 1867 ent- 
die in der Bundesakte gewährleisteten Rechte der hielt auch noch die Ausnahme, „daß die Mit- 
mediatisierten Häuser weggefallen sei, daß aber glieder derienigen Mennoniten= und Quäler- 
diese Rechte selbst damit nicht verändert seien. samilien, welche durch bestehende Gesetze und 
Was insbesondere die Militärfreiheit betrifft, so Privilegien mit der Verpflichtung zu anderweiten 
ist dieselbe den der preuß. Monarchie einver. Gegenleistungen von der Wehrpflicht befreit sind, 
leibten vormals deutschen Reicheständen auch auch fernerhin befreit bleiben sollen“. Diese Be- 
noch speziell durch den §. 1, Nr. 3 der Verordn. stimmung wurde jedoch vom Reichstage abgelehnt. 
v. 21. Juni 1815 1G. S., S. 106) in Ver-(Stenogr. Ber. des Reichstages 1867, Bd. I, S. 
bindung mit dem §. 13, Lit, a der Instr. v. 474). Die Bestimmung des §. 14 der Verordn. 
30. Mai 1820 (a. a. O., S. 81) zugesichert worden, v. 1. Juni 1833 (G. S., S. 68), wonach 
und obgleich diese Befreiung infolge des Art. 34 die Juden im Großherzogtum Hessen nicht ge- 
der preuß. Verf. Urk. für beseitigt zu erachten zwungen werden sollten, in Militärdienste zu 
war, so wurde dieselbe doch auf Grund des treten, sondern gegen Erlegung eines Rekruten- 
Verfassungsänderungegesetzes v. 10. Juni 1854 geldes hiervon befreit bleiben sollten, ist schon 
(G. S., S. 363, durch den §. 1 der Verordn. v. durch die Kab. O. v. 31. Dez. 1845 (G. S. 1846, 
12. Nov. 1855 (u. u. L., S. 688) wieder= S. 22) aufgehoben worden, welche zugleich die 
bergestellt. Mit Rücksicht hierauf hat die Kom= allgemeine Militärpflichtigkeit aller Juden in 
miussion des Reichstages angenommen, daß die in sämttichen Landesteilen verordnet. Das Reichs- 
Freußen gesetzlich bestehende Befreiung der media= recht kennt keinerlei Exemtion der Juden. 
tisierten Hänser von der Militärpflicht als ein à X. 5 De 
Teil der bisherigen preust. Gesengebung anzuerr 3 R. H. v. 15. 5 10 (R. G. B. 207), 
kennen und da diese lettere durch die Verfassung * Ter analoge Vorbeha ". für die vor dem 
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des Nordd. Bundes Art. 61) reziviert worden -« « 
jetzt gegenstandslos. 
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sei, so handle es sich nicht um die Einführung ,»» 
4 Val. die Erörterungen von v. Martitz Über 
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einer neuen Erxemtion, sondern darum, ob etwa » binngen t 
eine bestehende Exemtion durch das jetzt zu er= den §. 11 des Rrichemilltargesetzes in Hirths Ann., 
lassende (Gesetz aufzuheben sei, wozu indes keine Jahrg. 185, 1125—26; Seydel, ebendas., 
Veranlassung vorliege. Dieser Amassung ist die- 1101—62. 
Majorität des Reichstages beigeltreten und hat 5 S. hierüber S. J2, Wehrordnung §S. 21, 
demzusolge im §. 1 des (5. v. 9. Nov. 1867 | 3. 4, 5, u. Laband, Bd. IV, S. 147 fl.
	        
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