Die Wehrpflicht. (8. 54.) 103
Außer der körperlichen und geistigen Untauglichkeit besteht noch kraft alter germani-
scher Tradition als notwendige Voraussetzung des Waffendienstes die persönliche
Ehrenhaftigkeit. Nur der ist nach germanischer Auffassung, die in der all—
gemeinen Wehrpflicht wieder vollkommen zur Geltung gelangt ist, der Ehre
der Waffen würdig, dessen Ehre auch im bürgerlichen Leben unbefleckt ist.
Demgemäß hat 1. die Verurteilung zu Zuchthausstrafe die dauernde Unfähigkeit
zum Dienste in dem deutschen Heere und der kaiserlichen Marine von Rechts wegen zur
Folge (Reichsstrafgesetzbuch, §. 31, Abs. 1); 2. bewirkt die Aberkennung der bürgerlichen
Ehrenrechte die Unfähigkeit, während der im Urteile bestimmten Zeit in das deutsche
Heer und in die kaiserliche Marine einzutreten (§. 34, Ziff. 2 a. a. O.); 3. wer
wegen einer strafbaren Handlung, welche mit Zuchthaus oder mit dem Verluste der
bürgerlichen Ehrenrechte bestraft werden kann, oder wegen welcher die Verurteilung zu
einer Freiheitsstrafe von mehr als sechswöchentlicher Dauer oder zu einer entsprechenden
Geldstrafe zu erwarten ist, in Untersuchung sich befindet, wird nicht vor deren Beendigung,
und wer zu einer Freiheitsstrafe oder zu einer in Freiheitsstrafe umzuwandelnden Geld-
strafe rechtskräftig verurteilt ist, nicht vor deren Vollstreckung oder Erlaß eingestellt. Die
Zurückstellung solcher Personen ist bis zum fünften Militärpflichtjahre zulässig.: Das-
selbe gilt von denjenigen, welche nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte sind für
die Zeit, während welcher sie unter der Wirkung der Ehrenstrafen stehen. Wenn die-
selben jedoch vor Ablauf ihrer aktiven Dienstzeit wieder in den Besitz der Ehrenrechte
gelangen würden, so kann ihre Einstellung in eine Arbeiterabteilung unter Anrechnung
auf die Dienstzeit erfolgen (Reichsmilitärgesetz, §. 18).) Auch vom Landsturm sind die
unter Ziffer 1 und 2 genannten, sowie diejenigen Personen ausgeschlossen, welche durch
Strafurteil aus dem Heere oder der Marine entfernt sind (Wehrordnung, §. 20, Ziff. 11
m. Mil. Str. G. B., S. 32, Abs. 3).71
V. Die Wehrpflicht beginnt mit dem vollendeten 17. Lebensjahre und dauert bis
zum vollendeten 45. Lebensjahre (Ges. v. 9. Nov. 1867, §. 3; Ges. v. 11. Febr. 1888,
§. 24). Sie zerfällt in die Dienstpflicht und die Landsturmpflicht. Die Dienst-
pflicht ist die Pflicht zum Dienste im Heere oder in der Marine. Die Pflicht zum
Dienste im Heere wird eingeteilt in: a) die aktive Dienstpflicht und b) die Reserve-
pflicht, welche gleichfalls noch als Dienstpflicht im stehenden Heere rechtlich erscheint;
c) die Landwehrpflicht; d) die Ersatzreservepflicht. Die Pflicht zum Dienste in
der Marine wird eingeteilt in a) die aktive Dienstpflicht und b) die Marinereserve-
pflicht (Dienstpflicht in der Flotte) und c) die Seewehrpflicht. Alle nicht zum
Dienste im Heere oder in der Marine eingezogenen Wehrpflichtigen sind
im Kriege landsturmpflichtig (Wehrordnung, §.5). Danach gliedert sich der Gesamt-
umfang militärischer Dienstpflicht in aktives Dienstverhältnis und Beurlaubten-
stand; zu ersterem gehört das gesamte stehende Heer, sowic alle zum Dienst ein-
berufenen Mannschaften des Beurlaubtenstandes (s. die nähere Spezifizierung auf
Grund der in verschiedenen Gesetzen zerstreuten Vorschriften in der Wehrordnung, §. 109).
Die besonderen Verpflichtungen der Mannschaften des Beurlaubtenstandes sind zusammen-
gestellt Wehrordnung, §. 111, im übrigen gelten für diese Mannschaften die Vorschriften
seiner militärischen Kraftentwicklung möglichst un- 37. 8 2. in Fassung v. 25. März
eingeschränkt verfügen zu können“. (Stenogr.
Ber. des Reichstags 1867, Bd. II, Aktenst. Nr.
ordnung, 6
1904, Z. Bl.
2 Ale zelseseen sind Militärpflichtige nur
18, S. 55). — Uber die Tauglichkeit zum Dienste
ohne Waffe Wehrordnung, §5. 31, Z. 2.
1 Im fünften Militärpflichtjahre muß über
solche Personen endgültig entschieden werden.
Kann auch im fünften Miilltärpflichtjahre die Ein-
stellung wegen der in §. 18 des Reichamilitär-
gesetzes bezeichneten Gründe noch nicht erfolgen,
so ist der Betreffsende vom Dienste im Hcere und
der Marine definitiv auszuschließen, sofern seine
Einstellung bis zum 1. Febr. des nächstfolgenden
Kalenderjahres nicht mehr erfolgen kann. Wehr-
dann auszuheben, wenn sie zum Dienste mit der
Waffe tauglich sind. (Wehrordnung, 8. 43.
Ziffer 2). Beim Wiedereintritt in den Besitz der
Ehrenrechte werden diese Arbeitssoldaten zur Ab-
leistung des Restes ihrer Dienstzeit einem Truppen-
teile überwiesen.
3 Bezüglich der Berücksichtigung der Strafer-
kenmtnisse ausländischer Gerichte vgl. R. Str. G. B.,
§. 37, und Wehrordnung, §. 37, Ziff. 5.
* Uber den Ausschließungeschein Wehrordnung
8. 37.