Die Wehrpflicht. (8. 54.) 109
Die Seewehrpflicht ist eine verschiedene in der Seewehr ersten oder zweiten Auf-
gebotes. Die Dienstzeit in der Seewehr ersten Aufgebotes ist von fünfjähriger Dauer,
und es erfolgt der Eintritt in die Seewehr ersten Aufgebotes nach abgeleisteter Dienst-
pflicht in der Flotte. Die Entlassung aus der Seewehr ersten Aufgebotes erfolgt bei
den Herbstkontrollversammlungen des betreffenden Jahres. Die Seewehr zweiten Auf-
gebotes besteht aus Wehrpflichtigen, welche auf der Flotte nicht gedient haben; dieselben
können bei ausbrechendem Kriege zur Ergänzung der Marine einberufen werden. Die
Dienstpflicht in der Seewehr dauert vom Tage der Überweisung bis zum vollendeten
31. Lebensjahre. Mannschaften, welche aus der Seewehr zweiten Aufgebotes zum aktiven
Dienste eingezogen werden, sind bei Zurückführung der Marine auf den Friedensstand
wieder zu entlassen und treten, wenn sie für den Marinedienst ausgebildet sind, je nach
ihrem Lebensalter, zur Marinereserve oder Seewehr ersten Aufgebotes über. Sind sie für
den Marinedienst nicht ausgebildet, so treten sie in die Seewehr zweiten Aufgebotes zurick.
Die Dienstpflicht in der Marinereserve und in der Seewehr ersten Aufgebotes regelt sich
analog den gleichen Verhältnissen im Landheer (Wehrordnung, 8§8§. 16, 17 mit 11, 12).
Von den Mannschaften der Seewehr werden diejenigen, welche von der Marine-
reserve zur Seewehr entlassen worden sind, zu Ubungen überhaupt nicht einberufen; für
die sonstigen Marinedienstpflichtigen, welche auf der Flotte nicht gedient haben, und zwar
bis zum vollendeten 31. Lebensjahre, finden zeitweise kürzere Ubungen an Bord, nament-
lich behufs Ausbildung in der Schiffsartillerie statt, und wird jeder dieser Ver-
pflichteten in der Regel zweimal zu diesen Ubungen herangezogen (G. v. 9. Nov. 1867,
§. 13, Ziff. 8).
Die Mannschaften der Land= und Seewehr zweiten Aufgebotes dürfen im Frieden
zu Ubungen nicht einberufen werden (G. v. 11. Febr. 1888, Art. II, 8§. 4, 21), sie
genießen ferner Erleichterungen bezüglich der Kontrolle und des Aufenthaltes in fremden
Ländern; die vorschriftsmäßige Anmusterung bei einem deutschen Seemannsamt entbindet
von der Meldung bei den Militärbehörden (§. 21, Ziff. 4).
Die Offiziere der Landwehr können zu übungen bei Linientruppenteilen nur behufs
Darlegung ihrer Qualifikation zur Beförderung, im übrigen aber nur zu den gewöhn-
lichen Übungen der Landwehr herangezogen werden 1 (F. 12, Satz 2 a. a. O.).
IV. Die Mannschaften der Reserve und Landwehr werden in Jahresklassen
nach ihrem Dienstalter eingeteilt (Reichsmilitärges., §. 62, Abs. 1). Die Dienstzeit in
der Reserve und Landwehr wird von demselben Zeitpunkte an berechnet, wie die aktive
Dienstzeit, auch wenn in Erfüllung der letzteren eine Unterbrechung stattgefunden hat.
Die Versetzung aus der Reserve in die Landwehr ersten beziehungsweise weiterhin zweiten
Aufgebotes erfolgt im Frieden bei den nächsten, auf Erfüllung der Dienstzeit folgenden
Frühjahrskontrollversammlungen, hinsichtlich derjenigen Mannschaften aber, deren Dienst-
zeit in der Periode vom 1. April bis zum 30. Sept. ihr Ende erreicht, bei den Herbst-
kontrollversammlungen des betreffenden Jahres (F. 62, Abs. 2 des R. Mil. G. in Ver-
bindung mit Art. I, §. 4 des R. G. v. 6. Mai 1880, beziehungsweise Art. II, §. 5 des
G. v. 11. Febr. 1888).? Mannschaften, welche infolge ihres eigenen Verschuldens
(§. 18 des Mil. Str. G. B.) verspätet aus dem aktiven Dienste entlassen werden,
April bis zum 30. Sept. ihr Ende erreicht,
1 Vgl. das Nähere in der Heerordnung; f.1.
ferner S. 113.
2 Der K. 62, Abs. 2 des Reichsmilitärgesetes v.
2. Mai 1874 hatte unbedingt bestimmt, daß diese
Versetzung bezw. Entlassung bei den Herbst=
kontrollversammlungen des betr. Jahres erfolgen
solle. Dies hat der Art. I, . * des R. G. v.
6. Mai 1880 R. G. Bl., S. 100, dahin ab-
geandert, dast die in Rede Hechene- Versetzung,
bezw. Entlassung im Frieden bei den nächien
auf Erfüllung der Dienstzeit folgenden Früh-
jahrskontrollversammlungen stiattzufinden hat,
daß es dagegen hinsichtlich dersenigen Mann-
schaften, deren Dienstzeit in der Periode vom
bei der Bestimmung des §. 62 des Neichsmilitär=
gesenzes bewenden soll.
* Der §. 18 des Mil. Str. G. B. bestimmt,
daß die Zeit einer Freiheitostrase von mehr als
sechs Wochen auf die gesetzliche Dienstzeit im
stehenden Heere oder in der Flotte nicht ange:
rechnet wird. Die Beifügung ist erfolgt, um
sestzunellen, daß der Abs. 3 des &. 112 sich
nur auf den Fall des angezogenen §. 18 bezieht.
(Val. die Erklärung des Vertlchterstatters Meyer-
Thorn in den Stenogr. Ber. des Reichstages
1874, Bd. II. S. 900, Sp. 1.)