Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Die Wehrpflicht. (8. 54.) 111 
gestatten, nach Jahresklassen, von der jüngsten ab (§. 63 a. a. O.). Wird der Ein— 
berufung oder einer öffentlichen Aufforderung zur Stellung nicht binnen drei Tagen 
nach Ablauf der gesetzten Frist Folge geleistet, so tritt, vorbehaltlich der etwa verwirkten 
höheren Strafe wegen Fahnenflucht, Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren 
ein; Aufforderung oder Anreizung zu dem Delikt ist mit Gefängnis bis zu zwei Jahren 
bedroht (Mil. Str. G. B., §. 68 ff.; R. Str. G. B., §. 112). Vgl. die Zusammenstellung 
der gesetzlichen Vorschriften über die Einberufung Wehrordnung, §. 118. 
Bei diesen Einberufungen können jedoch Zurückstellungen stattfinden. Es können 
nämlich hierbei: 
1. dringende häusliche und gewerbliche Verhältnisse derart Berücksichtigung finden, 
daß Reservisten hinter die letzte Jahresklasse der Reserve ihrer Waffe oder Dienstkategorie, 
Landwehrmannschaften des ersten und zweiten Aufgebotes aber, sowie in besonders dringenden 
Fällen auch einzelne Reservisten, hinter die letzte Jahresklasse der Landwehr zweiten Auf- 
gebotes (Ges. v. 11. Febr. 1888, Art. II, §. 6) ihrer Waffe oder Dienstkategorie zeit- 
weise zurückgestellt werden (§. 64, Abs. 1 a. a. O.). Jedoch darf in keinem Aushebungs- 
bezirke die Zahl der hinter den letzten Jahrgang der Reserve zurückgestellten Mann- 
schaften zwei Prozent der Reserve, die Zahl der hinter den letzten Jahrgang der Land- 
wehr zweiten Aufgebotes zurückgestellten Mannschaften drei Prozent der Reserve und der 
gesamten Landwehr übersteigen (§. 64, Abs. 2 a. a. O.; Art. II, §. 6 des Ges. v. 
11. Febr. 1888). Auf die Dauer der Gesamtdienstzeit hat die Zurückstellung keinen 
Einfluß (§. 64, Abs. 3 a. a. O.).1 Die Entscheidung erfolgt durch die verstärkte Ersatz- 
kommission, gegen deren Ausspruch das ständige militärische Mitglied Einspruch erheben 
kann, über den durch die ständigen Mitglieder der Oberersatzkommission beschieden wird; 
die Entscheidung ist gültig bis zum nächsten Zurückstellungstermin (Wehrordnung, §. 123, 
Ziff. 2, 4, 5). Außerdem ist noch in dringenden Fällen außerterminliche Zurückstellung 
zulässig (näheres darüber Wehrordnung, §. 124). Die „dringenden häuslichen und ge- 
werblichen Verhältnisse“, auf Grund deren solche Zurückstellung erfolgen kann, bezeichnet 
die Wehrordnung, §. 122, Ziff. 1 folgendermaßen: a) Wenn ein Mann als der einzige 
Ernährer seines arbeitsunfähigen Vaters oder seiner Mutter, bezichungsweise seines Groß- 
vaters oder seiner Großimutter, mit denen er dieselbe Feuerstelle bewohnt, zu betrachten 
ist, und ein Knecht oder Geselle nicht gehalten werden kann, auch durch die der Familie 
bei der Einberufung gesetzlich zustehende Unterstützung der dauernde Niedergang des elter- 
lichen Hausstandes nicht abgewendet werden könnte; b) wenn die Einberufung eines Mannes, 
der das 30. Lebensjahr vollendet hat und Grundbesitzer, Pächter oder Gewerbetreibender 
oder Ernährer einer zahlreichen Familie ist, den gänzlichen Verfall des Hausstandes zur 
Folge haben und die Angehörigen selbst bei dem Genusse der gesetzlichen Unterstützung 
dem Elende preisgeben würde: c) wenn in einzelnen dringenden Fällen die Zurückstellung 
eines Mannes, dessen geeignete Vertretung auf keine Weise zu ermöglichen ist, im 
Interesse der allgemeinen Landeskultur und der Volkswirtschaft für unabweisbar notwendig 
crachtet wird. 
2. Reichs-, Staats= und Kommunalbeamte, sowie die in Wehrordnung, §. 125, 
Ziff. 2 Genannten, welche der Reserve oder Landwehr angehören, dürfen für den Fall einer 
Mobilmachung oder notwendigen Verstärkung des Heeres hinter den ältesten Jahrgang 
der Landwehr zweiten Aufgebotes, beziehungsweise des Landsturmes zurückgestellt werden, 
wenn ihre Stellen selbst vorübergehend nicht offen gelassen werden können und eine ge- 
eignete Vertretung nicht zu ermöglichen ist? §. 65, Abs. 1, Reichsmilitärges., Art. II, §§. 11 
u. 20, Ges. v. 11. Febr. 1888'. In erster Reihe sollen dabei solche Beamte berücksich- 
tigt werden, die in ihrem Zidvilverhältnis für militärische Zwecke wirksam sind. Die 
Unabkömmlichkeitserklärung von Beamten erfolgt durch die Ministerialbehörden und es 
werden hierüber besondere Unabkömmlichkeitslisten aufgestellt und den Generalkommandos 
  
1 Vgl. hierzu die Ausführungevorschriften in der lichkeitsgründe, Unabkömmlichkeitsverfahren, Eisen- 
Wehrordnung, §§. 118, 122 ff. beahnpersonal, Zivilhandwerker bei den Bekleidungs- 
: Vgl. hierzu die Ausführungsbestimmungen ämtern:. 
in der Wehrordnung, §s. 125—129 (Unabkömm-
	        
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