Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Die Wehrpflicht. (8. 54.) 121 
für das Seewesen auf die einzelnen Bundesstaaten nach dem Verhältnisse der Bevölle— 
rung verteilt (G. v. 9. Nov. 1867, §. 9, Abs. 11. Diese Vorschriften haben weiter- 
hin einc einschneidende Abänderung erfahren durch das Gesetz über die Ersatzverteilung 
v. 26. Mai 1893 (R. G. B., S. 185); dazu erging die kaiserliche Berordnung v. 
3. Juni 1893 (3. Bl. d. D. R., S. 157 ff.). Auf Grund dieses Gesetzes erfolgt die 
Ersatzverteilung nicht mehr auf „die Bundesstaaten“, sondern auf die 
Armeekorpsbezirke; demgemäß sind auch an Stelle der Bundesratsausschüsse die Kriegs- 
ministerien getreten. Der festgestellte Ersatzbedarf der Truppenteile wird bis 1. Mai jeden 
Jahres den zuständigen Kriegsministerien mitgeteilt. (Wehrordnung, §. 51, Ziff. 3, Fassung 
v. 25. März 1904, Z. Bl., S. 87) und durch diese erfolgt sodann die Verteilung auf 
die Armeekorps (F. 52, Ziff. 1). Diese Anderungen waren durch praktische Not- 
wendigkeiten veranlaßt und sind die richtige Folgerung aus dem Charakter 
des deutschen Heeres als Reichs-, nicht Kontingentsheer. Die Einheit der 
Organisation des deutschen Reichsheeres ist durch das Ges. v. 26. Mai 1893 
für die Heeresergänzung streng zur Durchführung gebracht; die Einzel- 
staaten sind ersetzt durch die Armeekorps, beziehungsweise die hessische 
Division. Die Ersatzverteilung für die Marine erfolgt gemäß der vom Reichsmarineamt 
erstatteten Bedarfsangabe durch das preußische Kriegsministerium (Wehrordnung, §. 52, Ziff. 2). 
Ferner ist nicht mehr die ortsanwesende Bevölkerung die Grundlage der Berechnung 
des Ersatzes, sondern die Zahl der diensttauglichen Militärpflichtigen des Bezirkes; ab- 
gerechnet werden die Ausländer, die Seeleute und die freiwillig Eingetretenen. Die Ver- 
teilung des Ersatzbedarfes erfolgt nach land= und seemännischer Bevölkerung getreunt. 
Die Verteilung des Ersatzbedarfes aus der seemännischen Bevölkerung geschieht durch das 
preußische Kriegsministerium nach Maßgabe der Zahl der vorhandenen diensttauglichen 
Militärpflichtigen der seemännischen Bevölkerung (G. v. 26. Mai 1893, Art. II, §. 1, 
Abs. 3; Reichsverf., Art. 53, Abs. 4). Beim Mangel an Ersatzmannschaften der see- 
männischen Bevölkerung ! wird der Bedarf durch Hinübergreifen auf geeignete Militär- 
pflichtige der Landbevölkerung unter Zurechnung zu den für das Landheer aufzubringen- 
den Rekruten gedeckt (G. v. 26. Mai 1893 a. a. O.). Vermag ein Bezirk seinen Rekruten- 
anteil nicht aufzubringen, so wird der Ausfall auf die anderen Armerkorpsbezirke des- 
selben Reichsmilitärkontingents" — Preußen mit den seinem Kriegsministerium unterstellten 
Staaten Bayern, Württemberg, Sachsen — nach Maßgabe der vorhandenen Uber- 
zähligen, und zwar zunächst auf die nächst höhere Militärterritorialeinheit (nämlich die 
Armeekorps-, Divisions-, und Brigadebezirke des §. 5 des Reichsmilitärgesetzes) über- 
tragen. Die unter selbständiger Verwaltung stehenden Armeekorpsbezirke können im Be- 
darfsfalle im Frieden zur Rekrutengestellung für andere Armeekorps nur in dem Maße 
herangezogen werden, als Angehörige anderer Kontingente bei ihnen in Gemähheit des 
§. 12 des Reichsmilitärgesetzes zur Aushebung gelangen. Diesen Ausgleich haben die 
Kriegsministerien untereinander zu ordnen (G. v. 26. Mai 1893, Art. II, 8. 1, Abs. 5; 
Wehrordnung, §. 52, Ziff. 4, 5). Im übrigen ist für die Zuteilung der ausgehobenen 
Rekruten an die Truppen des Reichsheeres das militärische Bedürfnis entscheidend.? 
Die hiernach aufgestellte Ministerialersatzverteilung wird vom preußischen Kriegs- 
  
rechnung „ein nur formelles ist“, betont La- 
band, Bd. IV, S. 491. 
1 S. über diesen Begriff S. 97. 
: Vgl. Laband, Bd. IV, S. 49, für Württem- 
berg jetzt die Sondervorschrift in Art. 1, 5. 1 des 
G. v. 15. April 1905. Dazu 3. B. 1905, S. 119 f. 
zu Wehrordnung, 85. 51—.. 
* Die Bestimmung des Abs. 1 des §. 9 des 
Reichsmilitärgesetzes, jezt Art. II. §. 1, Abfs. 6 d. 
G. v. 26. Mai 1893, beruht darauf, daß nach 
. 12 desselben jeder Militärpflichtige in dem- 
jenigen Aushebungsbezirke gestellungooflichtig ist, 
in welchem er seinen dauernden Aufenthaltsort, 
oder in Ermangelung eines solchen, seinen Wohn- 
  
sitz hat (ugl. Art. 17 des G. v. 9. Nov. 1867) 
und daß die Militärpflichtigen auch in demjenigen 
Aushebungsbezirke, in welchem sic sich zu ge- 
stellen haben, unter Anrechnung auf das von 
demselben aufzubringende Rekrutenkontingent, zum 
Militärdienste heranzuziehen sind. Hierdurch und 
durch das Gesetz v. 1. Nov. 1868 über die 
Freizügigkeit ist die Möglichkeit gegeben, daß in 
dem einen Bundesstaate Mannschaften zum Mili- 
tärdienste herangezogen werden, welche Angehörige 
eines anderen Staates sind. Nur in dem Maße 
also, ald dies bei ihnen zutrifft, sollen die unter selb- 
ständiger Verwaltung stehenden Armeekorpsbezirke 
im Frieden zur Rekrutengestellung für andere Armee-
	        
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