Die Wehrpflicht. (§. 54.) 135
insbesondere die Militärstrafgesetze, die Disziplinarordnung und die Militärstrafgerichts-
ordnung zur Anwendung kommen ; der aufgerufene Landsturm steht grundsätzlich unter
den für die Landwehr geltenden Vorschriften (Wehrordnung, §. 100, Z. 2; Ges. v. 11. Febr.
1888, Art. II, §. 26).
VI. Die unausgebildeten Landsturmpflichtigen, also diejenigen des gesamten ersten
Aufgebotes, sowie diejenigen, die in das zweite Aufgebot nicht aus der Landwehr, sondern
dem Landsturm ersten Aufgebotes übertreten, sind vor der Einberufung zum aktiven Dienst
der Musterung und Aushebung zu unterwerfen (Wehrordnung, §. 101, Z. 2), für
welche die Wehrordnung, §§. 102—104, die näheren Vorschriften io Unwürdigee Wehr-
ordnung, §. 20, Z. 11; §. 103, 3. 6) sind ausgeschlossen; im übrigen sind alle Taug-
lichen und Abtömmlichen ohne Losung auszuheben (Wehrordnung, §. 103, Z. 6). Über
die Einberufung entscheidet das militärische Interesse mit der Maßgabe, daß auf die älteren
Jahrgänge erst dann zurückgegriffen werden darf, wenn die jüngeren den Bedarf an
Mannschaften überhaupt, oder an Mannschaften einzelner Waffen usw. nicht aufzubringen
vermögen (Wehrordnung, §. 104, Z. 3).
G. Zwangsvorschriften behufs Erfüllung der Wehrpflicht.
Um die Erfüllung der Militärpflicht zu sichern, bestehen für die Militärpflichtigen
Beschränkungen des Rechtes der Auswanderung und Vorschriften, welche die Verletzung
der Wehrpflicht mit Strafe bedrohen.
1. Obgleich die Reichsgesetzgebung ebenso wie die preußische Verfassungsurkunde
im allgemeinen den Grundsatz der Auswanderungsfreiheit anerkennt ?, so ist doch dieses
Recht bezüglich der Wehrpflichtigen kein uneingeschränktes. Militärpersonen des aktiven
Heeres oder der Flotte darf die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit grundsätzlich
nicht erteilt werden; erst wenn sie vorher die Entlassung aus dem aktiven Militärdienst
erlangt haben, ist dies zulässig (Staatsangehörigkeitsges., §. 15).
2. Außerdem bestimmt der §. 15, Ziffer 1 des Gesetzes noch, daß die Entlassung
aus der Reichsangehörigkeit nicht an Wehrpflichtige — die in Betracht kommenden Per-
sonenkategorien bezeichnet das Gesetz in Ziffer 2 und 3 des §. 15 — erteilt werden
darf, welche sich in dem Alter vom vollendeten siebzehnten bis zum vollendeten fünfund-
zwanzigsten Lebensjahre befinden, bevor sie ein Zeugnis der Ersatzkommission darüber
beigebracht haben, daß sie die Entlassung nicht bloß in der Absicht nachsuchen, um sich
der Dienstpflicht im stehenden Heere oder in der Flotte zu entziehen. Die Entscheidung
über Erteilung des Zeugnisses erfolgt durch die ständigen Mitglieder der Ersatzkommission;
können diese sich nicht einigen, durch die Oberersatzktommission (Wehrordnung, §. 27, Z. 2).
Diese Bestimmung findet auch, sofern Familienväter für sich und ihre Familien die
Auswanderungserlaubnis nachsuchen, mit Rücksicht auf §. 19, auf Söhne, welche das
siebzehnte Lebensjahr vollendet haben, dergestalt Amwendung, daß, wenn auch den Familien-
vätern die Auswanderung gestattet werden muß, den Söhnen die Genehmigung zur Aus-
wanderung so lange zu versagen ist, als das im §. 15, Ziffer 1 gedachte Zeugnis der
Ersatzbehörden, deren Entscheidung endgültig ist 3, nicht beigebracht ist (Wehrordnung,
§. 27, Ziff. 3). Ist dagegen die aktive Dienstpflicht erfüllt, oder der Wehrpflichtige der
Ersatzreserve überwiesen, so steht der Auswanderung nichts im Wege, nur müssen Ersatz-
reservisten davon der Militärbehörde Mitteilung machen. Personen, die sich der Ent-
scheidung über ihre Dienstpflicht entzogen haben, kann, wenn sie das 25. Lebensjahr
überschritten haben, die Entlassung aus der Staatsangehörigkeit nicht verweigert werden.“
Denjenigen Mannschaften, welche gemäß dem Gesetze v. 3. Aug. 1893 bzw. 15. April
1 S. hierher die völkerrechtl. Vorschriften der s Entsch. d. O. V. G. XV, S. 410.
Haager Kriegsrechtskonvent. v. 29. Juli 1899 (RN. 4 S. zu dieser streitigen Frage Laband,
G. B. 1901, S.437), Art. 1—3 („Kriegsparteien"). Zd. IV. S. 130, N. 1. Entsch. d. O. V. G.,
:* BVgl. hierüber Bd. I, S. 622 und unten Bd. XXXV, S. 407, die wohl dem Wortlaut
S. 200 ff. Uber Auslandspässe an Wehrpflichtige, des Gesetzes entspricht, aber eine bedenkliche Lück
die noch nicht militärpflichtig sind, s. Wehrord., S. 107. desselben zeigt. "