Freiheit und Sicherheit der Person.
die Reichsgesetzgebung — Gesetz v. 28. Juli 1895 (R. G. B. S
Strafe bedroht. 12
G. 57) 153
425. — mit schwerer
3. Dem Grundsatze der Unveräußerlichkeit der Freiheit der Person ist dann ferner
in weiterem als dem bisherigen Umfange Rechnung getragen worden durch das Reichs-
gesetz v. 29. Mai 1868 5, betreffend die Aufhebung der Schuldhaft", indem bei dem Er-
lasse dieses Gesetzes davon ausgegangen wurde,
daß nur der allgemeine Wille des Ge-
setzgebers, niemals aber der Wille einer Privatperson, inbesondere nicht gegenüber einem
Schuldner, über den Verlust der Freiheit entscheiden dürfe 5, und daß die S
chuldhaft als
Entschädigung aufgehoben: „die aus der früheren
Erbuntertänigkeit herstammenden Verpflichtungen“,
welche Worte auch in derjenigen veränderten Ge-
stalt dieses Artikels aufrecht erhalten worden sind,
die derselbe durch das Verfassungsabänderungs-
gesetz v. 14. April 1856 (G. S., S. 353) erhalten
hat. Vgl. dazu §5. 2—5 des Ablösungsgesetzes
v. 2. März 1850 (G. S. 1850, S. 77).
1 Was die Sklaverei betrifft, so bestimmte
das A. L. R., Teil II, Tit. 5, §§. 196 u. 197,
daß in Preußen keine Art von Sklaverei geduldet
werden soll, und daß kein königl. Untertan sich
zur Sklaverei verpflichten kann und darf (8. 13
A. L. R., Teil I, Tit. 4). Wiewohl also die
Sklaverei dem A. L. R. und dem neuern Rechte
in jeder Form fremd ist, so verordnete dennoch
der §. 198 a. a. O., daß Fremde, die sich nur
eine Zeit lang in Preußen aufhalten, ihre Rechte
Über die mitgebrachten Sklaven behalten, und der
#§# 199 fügte nur hinzu, daß die Polizei solchen
Sklavenherren „Schranken setzen solle, wenn sie ihre
Rechte bis zu lebensgefährlichen Mißhandlungen
der Sklaven ausdehnen wollen“. Die 88. 200
—.208 a. a. O. enthielten dann noch weitere
Bestimmungen über den Gegenstand, nämlich,
daß wenn fremde Sklavenherren sich in Preußen
niederlassen, oder wenn Landeseinwohner aus-
wärtig gekaufte Sklaven ins Land bringen, die
bis dahin als Sklaven behandelten Personen von
selbst frei sein, jedoch verpflichtet sein sollen, dem
gewesenen Herrn das Kaufgeld zu erstatten, oder
durch Gesindedienste zu vergelten. Der 8§. 198
a. a. O. enthielt eine rechtswidrige Satzung,
weil die Sklaverei nicht nur ein dem preuß.
Rechte unbekanntes Institut, sondern in Preußen
sogar positiv (§. 196 a. a. O.) verboten ist, wo-
raus folgt, daß die Rechte eines Sklavenherrn
über seine mitgebrachten Sklaven in Preußen
nicht hätten geschützt werden sollen: denn das
BVerbotsgesetz (§. 196) hat einen Charakter
von zwingender Natur. Diese Erwägungen
haben denn auch dahin geführt. dur das
G. v. 9. März 1857 (G. S., 160) unter
Aufhebung der S§. 198—208, a. a O., zu be-
stimmen, daß „Sklaven von dein Augenblicke an,
wo sie preußisches Gebiet betreten, frei werden“,
und daß „das Eigentumsrecht des Herrn von
diesem Augenblicke an erloschen sei“. Vgl. den
Entw. des G. v. 9. März 1857 nebst Motiven
in den Drucks. des Abg. H. 1856—57, Nr. 21,
und in den Stenogr. Ber. desselben 1856—57,
Bd. III, Anl. Nr. 15, S. 37, die Komm. Ber.
der Kammern in den Drucks. des Abg. H.
1856—57, Nr. 45 u. 59, und des H. H., Nr.
29 u. 47, desgl. in den Stenogr. Ber. des Abg.
H. 1856—57, Bd. III, Anl. Nr. 16, S. 38 ff.
und des H. H. 1856—57, Bd. II, Anl. Nr. 11,
schriften gegenüber Art.
S. 58, sowie die Verhandlungen darüber in der
Sitz. des Abg. H. v. 27. Jan. 1857 (Stenogr.
Ber. 1856—57, Bd. I, S. 95—102) und in
der Sitz. des H. H. v. 21. Febr. 1857 (Stenogr.
Ber. 1856—57, Bd. I, S. 102—105).
: Über die Unterdrückung des Handels mit
Negersklaven wurde zuerst infolge englischer An-
regungen ein Staatsvertrag zwischen Preußen,
Osterreich, Großbritannien und Rußland v. 20.
Dez. 1841 (G. S. 1844, S. 371) abgeschlossen
und daraufhin erging das jetzt durch das zit.
Reichsgesetz ersetzte G. v. 8. Juli 1844 wegen
Bestrafung des Handels mit Negersklaven (a. a.
O., S. 399). Der Staatsvertrag v. 20. Dez.
1841 ist durch Ubereinkommen zwischen dem D.
Reiche und Großbritannien v. 29. März 1879
(R. G. Bl. 1880, S. 100) auf das Deutsche
Reich übertragen worden. Im Verfolg der
Kolonisations= und Zivilisationsbestrebungen euro-
päischer Staaten hat die Sklavenfrage neuerdings
erhöhte Bedeutung und eine umfassende Regelung
gefunden in der Brüsseler Antisklaverei--
akte v. 2. Juli 1890 (R. G. B. 1892, S.
605 ff.); * dazu Zorn, St. R., Bd. II, S.
928 f.; v. Martitz im Alchiv f. öffentl. Recht,
Bd. J, S. 3— 107; Störk im Handb. d. Bölker-
rechtes, Bd. 498 fl.: A. Zorn, Grundz. d. Völ-
kerrechtes, S. 214 ff., sowie die Lehr- u. Hand-
bücher des Völkerrechtes.
3 B. G. Bl. 1868, S. 237 ff. und Stenogr.
Ber. des Nordd. Reichstages 1868, Bd. II, Aktenst.
Nr. 74, S. 267 ff., den Komm. Ber. v. 22. Mai
1868 (a. a. O., Aktenst. Nr. 79, S. 293 ff.)
und die Plenarverhandl. darüber in den Sitz.
v. 27. u. 28. Mai 1868, a. a. O., Bd. I. S
191—220.
Historisches über Schuldhaft und Schuldknecht=
schaft bei H. Seuffert in Stengels Wörterbuch
II. S. 672 f.
5 Vgl. die in der Note 3 angezogenen Motive,
welche diesen Standpunkt, unter Bezugnahme auf
den §. 13, A. L. R., Bd. I, Tit. 4, betonen, wonach
niemand sich durch Willenserklärung zur Privat-
gefangenschaft verpflichten kann. Auf diesem
Prinzip beruht auch die Kirchendtszipuin nach
G. v. 12. Mai 1873 (G. S., S. 198) über die
kirchliche Disziplinargewalt“ Dasselbe hat zur
Voraussetzung die Bestimmungen des katholischen
Kirchenrechtes, kraft deren der Bischof gegenüber
seinem Klerus das Recht hat, Freiheitsentziehung
als Strafe zu verhängen. Auedrücklich aber be-
stimmt §. 5, Abs. 2, der bei der Revision nicht
aufgehoben ist, daß die Freiheitsentziehung „awider
den Willen des Betroffenen weder begonnen, noch
fortgesetzt werden" dürfe. Für den Militär
dienst ist der Vorbehalt für die Disziplinarvor=
ausdrücklich durch Art.