8 Das Staatsbürgerrecht. (8. 50.)
gebracht und hierbei abgelehnt worden, hinter den Worten: „für alle dazu Befähigten“
das Wort „Preußen“ einzuschalten, weil man es nicht für zweckmäßig erachtete, „die
Möglichkeit auszuschließen, bedeutende Männer des Auslandes für den preußischen
Staatsdienst zu gewinnen“. 1 Nachdem übrigens die Verfassung des Norddeutschen Bundes,
beziehungsweise die Reichsverfassung, durch ihren Art. 3 für den ganzen Umfang des
Bundesgebietes ein gemeinsames „Indigenat“ mit der Wirkung eingeführt hat, daß der
Angehörige (Untertan, Staatsbürger) eines jeden Bundesstaates in jedem anderen Bundes-
staate als Inländer behandelt und demgemäß unter anderem auch zu öffentlichen Amtern
unter denselben Voraussetzungen wie der Einheimische zugelassen werden soll, kann ein
Unterschied zwischen Preußen und nichtpreußischen Angehörigen des Deutschen Reiches in
bezug auf die Zulassung zur Bewerbung um öffentliche Amter im Preußischen Staate
nicht mehr gemacht werden, sondern es sind alle öffentlichen Amter in Preußen allen
Angehörigen der zum Deutschen Reiche gehörigen Staaten in gleicher Weise zugänglich,
wie den preußischen Staatsangehörigen?, immer mit dem doppelten Vorbehalt 1. der Er-
füllung der für den Nachweis der Befähigung vom Gesetz vorgeschriebenen Bedingungen,
2. daß niemand dem Staate gegenüber ein Recht auf Anstellung hat. Bei der All-
gemeinheit des Ausdrucks „Zulassung zu öffentlichen Amtern“ muß angenommen werden,
daß die Bestimmung des Art. 3 der Reichsverfassung nicht auf eigentliche Staatsämter
zu beschränken, sondern auch auf die Zulassung der Reichsangehörigen zum mittelbaren
Staatsdienste, sowie auf die kirchlichen und die Schulämter, zu erstrecken ist. Aus-
länder sowie deutsche Nichtpreußen erwerben durch die Bestallungsurkunde für ein preußisches
Amt die preußische und Auslünder damit die deutsche Staatsangehörigkeit.
IV. Der im Art. 4 der Verfassungsurkunde ausgesprochene Grundsatz der Gleich-
heit aller Preußen vor dem Gesetze hat an sich schon die Bedeutung, daß auch der
Unterschied des religiösen Glaubens keinen Einfluß auf die Rechte der Staatsbürger
haben soll, und es ist daher nur eine besondere Anwendung des im Art. 4 allgemein
ausgedrückten Prinzips, wenn der zweite Satz des Art. 12 der Verfassungsurkunde noch
ausdrücklich bestimmt, „daß der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen
Rechte unabhängig von dem religiösen Bekenntnisse ist“. Die ausdrückliche
Aufnahme dieses, an sich schon in dem allgemeinen Grundsatze des Art. 4 enthaltenen!
Satzes in den Art. 12 bezweckt nur die besondere Garantie der Glaubens= und
Religionsfreiheit. Verfassungsmäßig kann danach in Preußen von gesetzlich benach-
teiligten Klassen der Staatsbürger, insbesondere von Benachteiligungen wegen des reli-
giösen Bekenntnisses, nicht mehr die Rede sein." Aus den angeführten Sätzen in den
1 Vgl. Stenogr. Ber. der I. K. 1849—50,
Bd. II. S. 641.
Dies hat auch der Staatsmin. Beschl. v.
21. Juli 1868 (M. Bl. d. i. Verw. 1868, S.
197, Just. M. Bl. 1868, S. 262) ausdrück-
lich anerkannt. — Von dem Bundeskommissarius
Hoffmann wurde im Namen der Bundes-
regierungen zu der hier in Rede stehenden Be-
stimmung des Art. 3 der R. Verf. bemerkt,
„daß, da in keinem norddeutschen Staate der
Inländer, auch wenn er die Bedingungen zu
einem Staatsamte erfüllt und seine Fähigkeit
dazu dargelegt hat, im einzelnen Falle ein
Recht darauf habe, angestellt zu werden, es sich
von selbst verstehe, daß durch die gedachte Be-
stimmung im konkreten Falle ein Recht auf
ein Amt nicht verliehen werden solle, sondern daß
die Bestimmung nur den Sinn habe, daß die
Regierungen der Staaten des Bundes sich gegen-
seitig verpflichteten, keinen Unterschied zu machen,
also keinen, der die Fähigkeit zu einem Staats-
amte nachgewiesen hat, um deswillen nicht an-
zustellen, weil er einem anderen norddentschen
Staate angehört" (vgl. Stenogr. Ber. des (konstitut.)
Reichstages 1867, Bd. L, S. 241). Unzweifel-
haft ist auch, daß alle den preußischen Staats-
angehörigen gesetzlich obliegenden Vorbedingungen,
insbesondere auch der Befähigungsnachweis auf
Grund bestandener Staatsprüfungen und die Ab-
leistung des Diensteides, auch von den Reichs-
angehörigen erfüllt werden müssen, und daß der
Art. 3 der R. Verf. nicht dahin aufzufassen ist,
daß die bestandene Staatsprüfung in dem einen
Einzelstaate auch für die Zulassung zu einem
öffentlichen Amte in einem anderen als Be-
fähigungsnachweis ohne weiteres anerkannt wer-
den müsse. Vgl. R. Brückner, Das gemein-
same Indigenat im Nordd. Bunde, S. 13 und
Laband l, 167 ff.; Bockshammer, Das In-
digenat des Art. 3 der R. Verf. 1896, S. 10.
3 S. hierüber Bd. 1, S. 617 f., sowie die
dort zit. Literatur des Reichsstaatsrechtes und
Bazille-Köstlin, Das R. der Staatsangehörig-
keit (1902), S. 218 ff.
* Was insbesondere die Juden im Preusß.
Staate anbetrifft, so wurden deren bürgerliche