Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

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Das Staatsbürgerrecht. 
G. 57.) 
IV. Die Vorschriften des Freizügigkeitsgesetzes v. 1. Nov. 1867, durch welche die 
betreffenden Bestimmungen des Heimatsgesetzes v. 31. Dez. 1842 und der über diese 
Materie in den seit dem Jahre 1850 mit der preußischen Monarchie vereinigten Landes- 
teilen geltend gewesenen Bestimmungen ersetzt worden sind, sind folgende 1: 
1. Jeder Reichsangehörige: ist berechtigt, innerhalb des Reichsgebietes: 
a) an 
jedem Orte sich aufzuhalten oder niederzulassen?, wo er eine eigene Wohnung oder ein 
Unterkommen sich zu verschaffen? imstande ist; 
5) an jedem Orte Grundeigentum 
  
allerdings einen Wohnsitz in der Gemeinde er- 
werben und dadurch Einwohner der Gemeinde, 
nicht aber Mitglied (Bürger) derselben werden. Die 
neueren Gemeindegesetze erfordern zur Erwerbung 
der Mitgliedschaft in einer Gemeinde allerdings nicht 
die förmliche Aufnahme als Gemeindemitglied, 
sondern nur den (einjährigen) Aufenthalt (vyl. 
§§. 3 u. 5 der Städteordnungen v. 30. Mai 1853, 
19. März 1856 u. 15. Mai 18560). Aber (§. 13 
des Indigenatsgesetzes v. 31. Dez. 1842, vgl. 
jetzt §. 12 des G. v. 1. Juni 1870) durch den 
bloßen Wohnsitz kann die Staatsangehörigkeit 
nicht erworben werden, da aber die Staatsan- 
gehörigkeit notwendige rechtliche Voraussetzung der 
Gemeindemitgliedschaft ist, so steht der zit. S. 12 
dem Erwerbe der Gemeindemitgliedschaft seitens 
eines Nichtpreußen durch bloßen Wohnsitz unbe- 
dingt entgegen. Nur preußische Staatsangehörige 
können im Rechtssinne Gemeindeangehörige sein; 
für nichtpreußische Reichsangehörige hat die neuere 
preußische Gemeindegesetzgebung allerdings positiv 
ausgesprochen, daß sie das Wahlrecht besitzen; 
dadurch wird der Unterschied zwischen preußischen 
und nichtpreußischen Staatsangehörigen für das 
Gemeinderecht in Preußen im Hauptpunkte hin- 
fällig; dies ist aber keine Folge des Reichsrechtes, 
sondern ein Zugeständnis des preußischen Landes- 
rechtes. Vgl. dazu Schön, Recht d. Komm. 
Verb. S. 85, 168, 380. 
1 S. 1 des preuß. G. v. 1842 lautete: „Keinem 
selbständigen preußischen Untertan darf an dem 
Orte, wo er eine eigene Wohnung oder ein Unter- 
kommen sich selbst zu verschaffen imstande ist, der 
Aufenthalt verweigert oder durch lästige Bedingungen 
erschwert werden.“ 
2 Die „Reichsangehörigkeit“ ist lediglich bedingt 
durch die Staatsangehörigkeit im einzelnen Bun- 
desstaate (vgl. Erkl. des Präsid, des Bundes- 
kanzleramtes in den Stenogr. Ber. des Nordd. 
Reichstages 1867, Bd. I, S. 535). Vgl. Bd. I, 
S. 610 ff. Über die Frage, ob und inwie- 
fern auch „juristische Personen“, deren Domizil 
im Lande begründet ist, die Rechte der Reichs- 
angehörigkeit im Sinne des Art. 3 der R. Verf. 
und des §. 1 des Freizügigkeitsgesetzes in Anspruch 
zu nehmen berechtigt sind, vgl. Brückner, Über 
das gemeinsame Indigenat im Gebiete des Nordd. 
Bundes, S. 6, welcher sie in Beziehung auf 
Gewerbebetrieb und Grundstückserwerb beiaht. 
Dieser Ansicht ist auch Hiersemenzel (Verf. 
u. Verw. R. des Nordd. Bundes, Bd. I, S. 283 ff.); 
ferner Bockshammer, S. 73 ff.; Mandry, 
zivilrechtl. Inhalt d. R. G., S. 41, N. 2; Entsch. 
d. R. G. i. Zivils., Bd. VI, S. 142. Dagegen 
wird die Frage mit Recht verneint v. Seydel 
(Komm. zur Neichsverfassung. S. 55 und Hirths 
Ann., Jahrg. 1876, S. 157, N. 2, und Zorn 
(St. R. des D. R., Bd. I, S. 349); ferner 
  
Laband, Bd. I. S. 161, N. 2; G. Meyer, 
Lehrb., 5. Aufl., S. 716, N. 3; Endemann, 
B. G. B., Bd. II, S. 268. 
* Der „Aufenthalt“ und die „Niederlassung“ 
umfassen ihrem Gesamtbegriffe nach jede Form 
des Aufenthaltes, welche nicht den Charakter des 
im §. 12 des Freizügigkeitsgesetzes angedeuteten 
Aufenthaltes als „Fremder“ an sich trägt 
(Arnold, Freizügigkeit und Unterstützungswohn- 
sitz, S. 30, Anm. 3, welchem Seydel in Hirths 
Ann., Jahrg. 1876, S. 160, N. 5 sich an- 
anschließt). S. auch über Wohnsitz u. Aufent- 
halt speziell das sog. „Dienstdomizil“ Entsch. d. 
O. V. G., Bd. X, S. 1, 430, Bd. XIII, S. 120 f.; 
##- das Verhältnis von Wohnsitz u. Aufenthalt 
Bd. XXX, S. 405; über Niederlassung Bd. XXII, 
S. 389 ff.; über das Verhältnis von Aufenthalt 
u. Niederlassung ebendaf., S. 394 f.; Aufenthalt, 
Bd. XIV, S. 155. (,Zustand“, „Aufenthalts- 
verhältnis“) Bd. XL, S. 423, Bd. XII, S. 161, 
Bd. XV, S. 56, vgl. auch Jebens, Verwaltungs= 
rechtl. Aufsätze 1899) S. 331 ff.; Stier-Somlo, 
Schutz des Bürgerrechts, S. 30 ff. 
Die Polizeibehörde ist nicht befugt und ver- 
pflichtet, die Art und Weise des Unterkommens 
zu prüfen und darüber zu befinden, ob dasselbe 
ein reelles und für den Unterhalt des Betreffen- 
den ausreichendes sei; es kommt lediglich darauf 
an, ob der Anziehende neben der Erwerbsfähigkeit 
eine Wohnung oder ein Unterkommen besitzt, und 
es ist unter letzterem nicht ein besonders nachzu- 
weisendes reelles Erwerbsverhältnis zu verstehen, 
sondern es hat nur ausgedrückt werden sollen, 
daß schon ein „Unterkommen“, z. B. eine Schlaf- 
stelle, welche als eigene Wohnung nicht angesehen 
werden kann, genügen soll, um den Anziehenden 
gegen Ausweisung zu schützen. (Restkr. des Min. d. 
Inn. v. 31. Aug. 1868, M. Bl. d. i. Verw. 
1868, S. 266). — Vgl. die in gleichem Sinne 
sich aussprechende bayerische Min. Entschl. v. 
4. Mai 1871, Ziffer 3, in Riedels Komm. z. 
Reichsverf. S. 242. In demselben Sinne sprechen 
sichauch Arnold Freizügigkeit und Unterstützungs- 
wohnsitz, S. 31—32 und Seydel in Hirths Ann., 
Jahrg. 1876, S. 161, N. 3 aus. Entsch. d. 
O. V. G., Bd. XXl, S. 394; ferner ülber 
„eigenen Hausstand“ Stier-Somlo, Schutz d. 
Bürgerrechtes (1904) S. 27 ff. 
5 Der Entwurf des Gesetzes hatte den Aus- 
druck gewählt: „sich selbst zu verschaffen“, wie 
dies auch in dem dem Abs. 1, Nr. 1 des §. 1 
des Feizügigkeitsgesetzes entsprechenden 8. 1 des 
preus. Heimategesetzes v. 31. Dez. 1842 der 
Fall ist. Die Kommission des Reichstages, und 
demnächst auch das Plenum desselben, haben — 
ohne nähere Motivierung — das Wort „selbst"“ 
gestrichen, obgleich dasselbe in dem von dem 
Neichstagsabgeordneten Gr. Bassewitz gestellten,
	        
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