Freiheit und Sicherheit der Person.
G. 57.) 175
aller Art zu erwerben!; c) umherziehend oder an dem Orte des Aufenthaltes, bezichungs-
weise der Niederlassung, Gewerbe aller Art zu betreiben? unter den für Einheimisches
geltenden gesetzlichen Bestimmungen (Ges. v. 1. Nov. 1867, §. 1, Abs. 1).
Ausübung dieser Befugnisse darf der Reichsangehörige,
In der
soweit nicht das Freizücgigkeits-
gesetz v. 1. Nov. 1867 selbst Ausnahmen zuläßt, weder durch die Obrigkeit seiner Heimat,
noch durch die Obrigkeit des Ortes, in welchem er sich aufhalten oder niederlassen will,
gehindert, oder durch lästige Bedingungen" beschränkt werden (a. a. O., Abs. 2).5
Keinem
Reichsangehörigen darf um des Glaubensbekenntnisses willen, oder wegen fehlender Landes-
oder Gemeindeangehörigkeit,
der Aufenthalt,
die Niederlassung, der Gewerbebetrieb oder
jedoch zurückgezogenen Amendement wieder auf-
genommen worden war (vgl. Stenogr. Ber.
des Nordd. Reichstages 1867, Bd. I, S. 633,
Sp. 1 und S. 554, Sp. 2). Arnold Frei-
zügigkeit u. Unterstützungswohnsitz, S. 30—32)
nimmt nun an, daß hiernach die Weglassung des
Wortes: „gselbst“ eine unabsichtliche sei und des-
halb dem Sinne nach ergänzt werden müsse, so
daß also eine Gemeinde die Zurückweisung eines
Anziehenden schon dann auf Grund des §. 1 des
Freizügigkeitsgesetzes verlangen könne, wenn dieser
sich seine Wohnung oder sein Unterkommen nicht
aus eigenen oder den Mitteln solcher Verwandten,
welche zur Fürsorge für ihn gesetzlich verpflichtet
find, verschafft hat. Gegen diese Ansicht vgl.
Seydel in Hirths Ann., Jahrg. 1876, S. 160, N. 1.
welcher bemerkt, daß, selbst wenn angenommen
werde, daß das Wort „selbst“ unabsichtlich weg-
gelassen sei, dennoch dem §. 1, Abs. 1, Nr. 1
des Freizügigkeitsgesetzes nicht der von Arnold
unterstellte Sinn beigelegt werden könne; denn
eine Wohnung sich selbst verschaffen sei keines-
wegs gleichbedeutend mit sich eine Wohnung aus
eigenen Mitteln verschaffen, und in dem preuß.
Heimatsgesetze habe das Wort „„elbst“ einen ganz
anderen Gegensatz gehabt, indem dieses Gesetz da-
von ausgegangen sei, daß jeder für sein Unter-
kommen selbst sorgen müsse, da die Obrigkeit mit
einer Vorsorge dafür keinenfalls belästigt, auch
niemand zur Gewährung eines Unterkommens
gezwungen werden könne. Daß diese letztere
Ansicht die richtige ist, ergibt sich allerdings aus
den von Arnold (a. a. O., S. 31) selbst mit-
geteilten Materialien des preuß. Heimatsgesetzes.
1 Durch diese Bestimmung ist der Landesgesetz-
gebung untersagt, die Fähigkeit, gewisse Grund-
stücke zu besitzen, für Deutsche an besondere per-
sönliche Bedingungen zu knüpfen, und wo solche
Beschränkungen bis dahin noch bestanden haben,
find dieselben für beseitigt zu erachten. Während
der Art. 3 der Reichsverfassung dem bundes-
angehörigen Fremden nur den Erwerb „unter
denselben Voraussetzungen, wie dem Einheimischen“
gestattete, schließt das G. v. 1. Nov. 1867 auch
jede Beschränkung des Einheimischen aus (ogl.
Seydel, Kommission zur R. Verf. Urk., S. 48,
Anm. 4, u. in Hirths Ann., Jahrg. 1876,
S. 161, N. 7). Die Bestimmung der Nr. 2,
des Abs. 1 des Gesetzes war in dem Entw. des
Gesetzes nicht enthalten, sondern ist von dem
Reichstage auf Antrag der Kommission hinzu-
gefügt worden, nachdem die Vertreter des Bundes-
rates bezw. der Präsident des Bundeskanzler-
amtes sich ausdrücklich hiermit einverstanden er-
klärt hatten. (Vgl. den Komm. Ber. v. 17. Okt.
1867 in den Stenogr. Ber. des Nordd. Reichstages
1867, Bd. II, Aktenst. Nr. 109, S. 187, Sp. 2,
und ebendas. Bd. I, S. 534, §. 1). Jetzt ist
der Erwerb von Grundeigentum im ganzen
Reichsgebiet einheitlich geordnet durch B. G. B.,
§§. 873 ff., s. darüber auch S. 204 ff. Nur für
Ausländer können gemäß Einf. G. Art. 88 landes-
rechtliche Beschränkungen des Eigentumserwerbes
fortbestehen, vgl. preuß. G. v. 4. Mai 1846 (G.
S. 235) mit Allerh. Entschl. v. 14. Febr. 1882
(G. S. 18), jetzt preuß. Ausf. Ges. z. B. G. B.
v. 20. Sept. 1890, Art. 7, §. 2 (nur für juristische
Personen). Uber Grundeigentum u. städtisches
Bürgerrecht Entsch. d. O. V. G., Bd. XV, S. 22;
Stier-Somlo, Bürgerrecht, S. 42.
Dieser Gegenstand ist demnächst durch die
Reichsgewerbeordnung v. 21. Juni 1869 (B. G.
Bl. 1869, S. 245 ff.) des Näheren geregelt
worden, s. darüber S. 203.
5 Unter „Einheimischen“ sind sowohl Staats-
als Gemeindeangehörige eines Staates zu ver-
stehen. (Vgl. Lasker in Stenogr. Ber. d. Reichs-
tages des Nordd. Bundes 1867, Bd. 1, S. 553).
* Durch den Ausdruck „lästige Bedingungen“
sollten insbesondere die Aufenthaltsgebühren, so-
wie die für einzelne Klassen von Personen be-
sonders bestehenden, mit der Aufenthalts= und
Erwerbsfreiheit nicht vereinbaren Auflagen und
Beschränkungen getroffen werden, z. B. die sogen.
Judenschutzgelder, die Rekognitionsgebühren für
auswärts wohnende Gemeindeangehörige, ferner
die Bestimmungen, wodurch den Juden der Aufent-
halt oder die Niederlassung in gewissen Gemeinden
verboten war, ferner der Nachweis eines „JZur
Einrichtung der Wirtschaft hinlänglichen Ver-
mögens“ (Entsch. d. O. V. G., Bd. XXI,
S. 395). Alle diese Beschränkungen der perfön-
lichen Freiheit sind durch das Freizügigkeitsgesetz
beseitigt. Dagegen wird die Verpflichtung zur
Entrichtung der Taxen für den Erwerb von
Grundstücken, sowie von Steuern und indirekten
Auflagen sowie von Kurtaxen selbstverständlich
durch das Freizügigkeitsgesetz nicht ber ührt. (Vgl.
Riedel, Komm. zur R. Verf. Urk., S. 227,
Anm. 8). Ebensowenig ist es eine „lästige Be-
dingung", wenn Grundeigentümer durch Orts-
statut zum Erwerb des Bürgerrechtes u. Zahlung
der betr. Gebühren verpflichtet werden, Ensch. d
O. V. G., Bd. XV, S. 22 ff.
5 Nicht berührt wird durch die Gewährleistung
der Freizügigkeit die Befugnis der Polizei, gemä
A. L. R., Bd. II, S. 17, §. 10, Konkubinate
zu trennen. Entsch. d. O. V. G., Bd. VII,
S. 372. Uber eine interessante Anwendung des
Freizügigkeitsprinzipes im Zusammenhang mit der
Frage der Gültigkeit einer Naturalisationsurkunde
s. auch Cutsch. d. . B. G., Bd. XIII. S. 408 ff.