Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Freiheit und Sicherheit der Person. (8. 57.) 183 
zelnen bestimmten Orten von der höheren Landespolizeibehörde untersagt 
werden kann. Hiernach ist also nach dem gegenwärtig bestehenden Rechte die Bestim- 
mung des §. 2, Nr. 1 des Heimatsgesetzes v. 31. Dez. 1842 formell zwar dadurch be- 
seitigt, daß an deren Stelle die Vorschrift des §. 39, Nr. 1 des Reichsstrafgesetzbuches 
getreten ist, materiell aber dahin in Kraft geblieben, daß solchen Personen, die wegen 
Verbrechen oder Vergehen zur Stellung unter Polizeiaufsicht rechtskräftig 
gerichtlich verurteilt worden sind, von seiten der Landespoli zeibehörde der 
Aufenthalt an bestimmten Orten für die Dauer der erkannten Stellung 
unter Polizeiaufsicht untersagt werden kann, und insoweit deren freie 
Wahl des Aufenthaltes und ihrer Niederlassung beschränkt ist. Voraus- 
setzung ist also hier 1. ein richterliches Urteil, das auf Grund strafgesetzlicher Vorschrift 
die Polizeiaufsicht für zulässig erklärt; 2. die Stellung unter Polizeiaufsicht durch die 
Landespolizeibehörde, in der Regel nach Einholung des Gutachtens der Gefängnisverwal- 
tung; 3. die Verfügung der Aufenthaltsbeschränkung im einzelnen Falle. 
8) Streitig ist die Frage, ob die Vorschrift der Nr. 2 des §. 2 des Heimats- 
gesetzes v. 31. Dez. 1842 noch in Geltung steht. Die Staatsregierung ist der Ansicht, 
daß dieselbe durch das Gesetz v. 12. Febr. 1850 über die Stellung unter Polizei- 
aufsicht (beziehungsweise durch die an Stelle des letzteren getretenen SS. 26—29 
des Strafgesetzbuches v. 14. April 1851) nicht für aufgehoben zu erachten sei. Diese 
Ansicht stlitzt sich darauf, daß der §. 8 des Gesetzes v. 12. Febr. 1850 (mit welchem 
der §. 27 des Strafgesetzbuches v. 14. April 1851, beziehungsweise der §. 39, Nr. 1 
des Reichsstrafgesetzbuches übereinstimmt) nur den speziellen Zweck habe, die Wirkungen 
der vom Richter verhängten Stellung unter Polizeianfsicht näher zu definieren; derselbe 
entziehe also der Landespolizeibehörde nicht die ihr bereits anderweitig, nämlich durch den 
§. 2 des Gesetzes v. 31. Dez. 1842, für gewisse Fälle verliehene Befugnis; vielmehr 
werde diese letztere durch das Gesetz v. 12. Febr. 1850 dahin erweitert, daß sie nun- 
mehr neben den Fällen des §. 2, Nr. 2 des Gesetzes v. 31. Dez. 1842 auch noch 
überall da Platz greife, wo jemand, gleichviel aus welchem Grunde, gerichtlich unter 
Polizeiaufsicht gestellt ist. ) Gegen diese Ansicht wird geltend gemacht, daß die Vorschrift 
des §. 2, Nr. 2 des Heimatsgesetzes v. 31. Dez. 1842 mit dem Art. 5 der Verfassungs- 
urkunde unvereinbar, und durch den §. 8 des Gesetzes v. 12. Febr. 1850, betreffend die 
Stellung unter Polizeiaufsicht, an dessen Stelle die Bestimmungen des §F. 27 des Straf- 
gesetzbuches vom 14. April 1851, jetzt des §. 39, Nr. 1 des Reichsstrafgesetzbuches, ge- 
  
1 Diese Grundsätze hat auch das Zirk. Restr. nicht etwa dahin auszulegen, daß die darin ge- 
des Min. d. Inn. v. 14. Dez. 1860 (M. Bl. d. dachte Befugnie in jedem Falle, wo“ sie vorhanden, 
i. Verw. 1861, S. 13) ausgesprochen. Über= auch zur Anwendung gebracht werden müsse, 
einst. H. Seuffert in Stengels Wörterbuch, sondern es ist diese Befugnis nur dann auszu- 
Bd. II, S. 219 ff., bes. S. 253 über den „In= üben, wenn die Behörde besondere Gründe dazu 
halt der Polizeiaufsicht“. hat, wobei insbesondere zu erwägen ist, ob die 
* S. hierüber die eingehende Darlegung, insbes. bestrafte Person gerade an dem Orte, von wo 
auch die in Betracht kommenden strafgesetzlichen sie entfernt werden. soll, für die öffentliche Sicher- 
Vorschriften! bei H. Seuffert in Stengels Wörterb. heit und Moralität gefährlicher ist, wie anders- 
Bdb. II, 251. wo, desgl. ob ein anderer Ort zu ihrer Aufnahme 
8 Vg.. das *n des Min. d. Inn v. 30. Mai verpflichtet ist: auch müsse gebührende Rücksicht 
1850 (M. d. i. Verw., 189). Auch darauf genommen werden, daß es eine Pflicht 
  
das Restr. naseen Min. v. . Dez. 1860 (a. sei, den Bestraften die Rückkehr zu redlichem 
O. 1861, S. 13) behauptet die fortbestehende Erwerbe möglichst zu erleichtern. Ubereinstim- 
Geltung des §. 2, Nr. 2 des G. v. 31. Dez. mend schreibt das Reskr. des Min. d. Inn. v. 
1842, und spricht zugleich folgende Ansichten aus: 25. Febr. 1860 (M. Bl. d. i. Verw., S. 
a) der im 8. Nr. 2 a. a. O. nach der Ter-170 vor, daß der §. 2 des Heimatsgesetzes 
minologie des uner gültigen landrechtl. Straf: die Landespolizeibehörde nicht verpflichtet, son- 
rechtes gebrauchte Ausdruck: „Verbrechen“ ist dern es nur dem Ermessen anheim gibt, ge- 
auch auf solche strafbare Handlungen zu beziehen, wisse Kategorien bestrafter Individuen von dem 
welche nach dem neuen Strafgesenbuche zu den Aufenthalte an bestimmten Orten augzuschließen, 
Vergehen gehören; b„ die Befugnis, in diesen und daß daher, wenn die Landespolizeibehörde 
Fällen iemand von dem Aufenthalte an gewissen von dieser ihr zustehenden Befugnis keinen Ge- 
Orten auszuschließen, steht nicht der Orts., son- brauch macht, frühere Bestrafungen keinen Grund 
dern nur der Landespolizeibehörde zu; c) die bilden, einem Neuanziehenden die Aufnahme zu 
Bestimmungen des §. 2 des Heimatsgesetzes sind versagen.
	        
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