Freiheit und Sicherheit der Person. (8. 57.) 191
VI. Da das Freizügigkeitsgesetz., v. 1. Nov. 1867 keine anderen Ausnahmen von
dem im §. 1, Nr. 1 ausgesprochenen Grundsatze der Freiheit des Aufenthaltes oder
der Niederlassung der Reichsangehörigen innerhalb des Reichsgebietes kennt, als nur auf
Grund erlittener Bestrafung (§. 3 des G.) oder Verletzung der Gemeindeinteressen (88. 4
und 5 des G.), so darf einem Reichsangehörigen der Aufenthalt an jedem Orte in
Preußen, sowie in den übrigen Staaten des Deutschen Reiches aus keinem andern
Grunde versagt werden, als wenn einer derjenigen Fälle vorliegt, wo dies nach den Be-
stimmungen der §§. 3 bis 5 des Gesetzes v. 1. Nov. 1867 zulässig ist, und daher be-
stimmt auch der §. 12 a. a. O., daß die polizeiliche Ausweisung Neichsangehöriger aus
dem von ihnen gewählten Orte eines dauernden oder vorübergehenden Aufenthaltes in
anderen als den in dem gedachten Gesetze vorgesehenen Fällen unzulässig sein soll, wo-
gegen im übrigen die Bestimmungen über die Fremdenpolizei durch dieses Gesetz nicht
berührt werden. Die polizeiliche Ausweisung eines Preußen oder eines andern Reichs-
angehörigen aus demjenigen Orte im Reichsgebiete, an welchem er seinen dauernden oder
vorübergehenden Aufenthalt genommen hat, ist demzufolge nur in folgenden Fällen zu-
lässig: a) auf Grund des §. 3 des Gesetzes v. 1. Nov. 1867, wenn er durch gericht-
liches Erkenntnis rechtskräftig zur Stellung unter Polizeiaufsicht verurteilt worden
ist, und ihm demzufolge von der höheren Landespolizeibehörde, in Gemäßheit der
derselben nach §. 39, Nr. 1 des Neichsstrafgesetzbuches zustehenden Befugnis, der
Aufenthalt an einzelnen bestimmten Orten untersagt wird y, desgleichen wenn er in
mit dem Rechte der Teilnahme an den Gemeinde- 1 wenden. Dies leutere gilt insbesondere für das
wahlen und der Befähigung zur Ubernahme von vormalige Königreich Hannover (vgl. Städte-
unbesoldeten Gemeindeämtern und zur Mahl in ordnung v. 241. Juni 1858, §. 21), für das vor-
die Gemeindevertretung verbundene Bürgerrecht malige Kurfürstentum Hessen (Gemeindeordnung
zu, welche das preußische Staatsbürgerrecht be= v. 23. Okt. 1834, SS. 10 u. 16), desgl. für das
siuen und die speziell festgeseten Erfordernisse er= ehemalige Herzogtum Nassau (Gemeindeordnung
füllen; allein unter der Vorausseung des Vor v. 26. Juli 1854, SS. 77 ff.). Die nach Auf-
handenseins dieser Erfordernisse kann leder preutische richtung des Reiches ergangenen preustischen Ge-
Staatsangehörige, welcher Mitglied der betreffen-! meindegesetze haben durchweg in landevrechtlicher
den Gemeinde ist, ihr Bürgerrecht auch durch den Ausführung des in R. Verf. Art. 3 festgestellten
nur einjährigen Aufenthalt in der Gemeinde er= Prinzipes die preußische durch die Reichsan-
werben, ohne daß es einer besonderen Verleihung gehörigkeit erset — ein preußisches Vorgehen,
bedarf. Nur in der Provinz Hannover wird das allunthalben durch die Einzelstaaten nachge
das Bürgerrecht in der Hauptsache durch Ver# ahit werden sollte.
leihung erworben. St. O. v. 24. Juni 1858, 1 Gleich dem Abs. 2 des §. 12 des Freizügig-
§§. 21, 97, Nr. 10. Der §. 11 des Frei= keitegesened v. 1. Nov. 1867 hatte auch der §. 14
zügigkeitsgesetzes v. 1. Nov. 1867 hält den Grund- des Heimategesenes v. 31. DTez. 1842 vorge-
satz aufrecht, daß nur preußische Staatsange= schrieben, daß dessen Bestimmungen auf solche
hörige das Gemeindebürgerrecht §. 5 der an= Personen, welche sich bloß als Fremde oder Reisende
geführten Städteordnungen: nach einjähriger an einem Orte aufhalten, nicht zu beziehen sind,
Dauer der Niederlassung, im Falle des Vor= sondern daß es in Ansehung derselben bei den
handenseins der übrigen Vorauesetungen, ohne! Vorschriften über die Fremdenpolizei sein Bewen-
weiteres erwerben. Daß dieser nur auf pren den behält. Die gesetzlichen Bestimmungen aber
stzische Staatsangehörige sich beziehende Grund über die Fremdenpolizei sind enthalten einersette
satz nicht auf nichtpreußische Reichsangehörige in dem Reichsgesene v. 12. Okt. 1867 über das
auszudehnen ist, ergibt sich aus dem Abs. 1 Paßwesen (B. G. Bl., S. 33,, andererseits in
des §. 11 des Freizügigkeitegesetzes, welcher dem| den zum Zwecke der Kontrolle der Fremden durch
Abs. 3 des Art. 3 der R. Verf. entspricht. Nur Polizeiverordnungen erlassenen Vorschriften, insbe-
da, wo die Landergesetzgebung die Erwerbung sondere über das Fremdenmeldewesen (s. S. 188 f. .
des Gemeindebürgerrechtes auch für fremde : Daß auoländische Urteile den inländischen
Bundesangehörige #und nicht wie die preuß. gleichzustellen sind, wird vereinzelt behauptet
Städteordnungen bloß für Einheimische, an eine Reger--Kraio, Kommentar z. bayr. Heimate-
gewisse Dauer der Niederlassung knüpft, kann es #gesez, S. 87: v. Pechmann, Wirkungskreis
in Frage kommen, ob der Fremde das Gemeinde= der bayr. Distrittsverwaltungsbehörden, 5. Aufl.,
bürgerrecht, und folglich die damit verbundenen S. 129; Cutsch. d. bayr. Verw. (Herichtshofs v.
Verpflichtungen, abzulehnen berechtigt ist, und es. 6. Okt. 1885, Md. 66, S. 264 seiner Sammlung::;
ist diese Frage zufolge Abs. 2 des §. 11 des G. dagegen mit Recht Dames, Freizügigkeit und
v. 1. Nov. 1867 zu verneinen. Wo aber die Aufenthalt und deren Beschränkungen 1893, S. ö3,
Aufnahme in den lotalen GGemeindeverband über= da in Deutschland fremde Straf urteile nie voll-
haupt durch die ausdrückliche Aufnahme in diesen streckt werden und auch, insbesondere hinsichtlich
bedingt ist, hat es hierbei nach Abs. 1 a. a. J. der Rückfalldfrage, unbeachtet bleiben.
und nach §. 3, Abs. 3 der R. Verf. sein Be- Dies gilt auch bezüglich solcher Personen,