Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Freiheit und Sicherheit des Eigentums. (8. 58.) 217 
besondere die Konfiskation ausgeschlossen, ausgenommen, wo eine solche (in betreff einzelner 
Gegenstände) zur Strafe eintreten kann, indem der Art. 10 der Verfassungsurkunde die 
Strafe der „Vermögenseinziehung“ für unstatthaft erklärt. 1 Dagegen ist es nach dem 
zweiten Satze des Art. 9 zulässig, das Eigentum der Privatpersonen aus Gründen des 
öffentlichen Wohles gegen Entschädigung zu entziehen oder zu beschränken, und zwar be- 
stimmt der gedachte Artikel dies näher dahin: a) daß die Entschädigung eine vorgängige, 
in dringenden Fällen wenigstens vorläufig festzustellende, sein solle.; und b) daß eine 
solche Entziehung oder Beschränkung des Eigentums nur nach Maßgabe des Gesetzes 
stattfinden dürfe. Ganz von selbst versteht sich, daß hier nicht die Rede ist von den- 
jenigen Beschränkungen in Ausübung des Eigentumsrechtes, welche aus Gründen des 
öffentlichen Wohles und im Interesse anderer (z. B. aus Nachbarpflichten, beim Bauen, 
bei Ausübung des Jagdrechtes usw.) durchaus notwendig und von den Gesetzen angeordnet 
sind oder fernerhin angeordnet werden sollten. Es kann aus der Fassung des Artikels 
nicht gefolgert werden, daß auch dergleichen Beschränkungen nur gegen Entschädigung 
möglich sein sollten; denn der Artikel spricht im Abs. 2 nur von Entziehungen und Be- 
schränkungen des Eigentums, welche in einzelnen Fällen eintreten sollen, nicht aber von 
Beschränkungen, welche vermöge einer allgemein gesetzlichen Anordnung stattfinden. Poli- 
zeiliche Maßnahmen, die an sich eine Beschränkung des Eigentumes dar- 
stellen, bilden einen unentbehrlichen und praktisch überaus wichtigen Be- 
standteil der Aufgaben der Polizei im öffentlichen Leben, sei es, daß die 
gesetzliche Grundlage hierfür, wie vielfach der Fall, in Spezialgesetzen sich 
findet und dann auch durch sie begrenzt ist s, sei es, daß hierfür die General-= 
klausel von A. L. R., II, 17, §. 10, die Rechtsgrundlage bietet.!“ 
Ein grund. 
  
1 Die „Vermögenseinziehung“ besteht in der 
Wegnahme des ganzen Vermögens, im Gegen- 
satze zur Konfiskation einzelner Vermögensstücke. 
Vgl. Feuer bachs Lehrbuch des peinl. Rechts, 
12. Ausg., §§. 153, S. 143—144. — Die Ab- 
schaffung der Strafe der Vermögenseinziehung 
wurde bei der Beratung des Entwurfs des preuß. 
Strasgesetzbuches bereits von dem ständischen Aus- 
schusse des Vereinigten Landtages fast einstimmig 
beschlossen, weil dieselbe für eine inhumane, die 
Familie des Verbrechers direkt mittreffende zu er- 
achten sei (Verhandl. des ständischen Ausschusses, 
Bd. II. S. 281—299). Deshalb wurde sie auch 
durch die Verf. Urk. staategrundgesenlich auege- 
schlossen, und der §. 19 des Strafgesenb. v. 14. April 
1851 bestimmte dann, „daß die Konfiskation nur 
in Beziehung auf einzelne Gegenstände stattfinde“, 
worüber in diesem Paragraphen und in F. 20 
nähere Bestimmungen erteilt worden sind. Un- 
zulässig ist daher auch die Konfiskation einer 
Quote des Vermögens (vogl. Beselers Kom- 
mentar zum Strafgesetzb., S. 120—123, Golt- 
dammers Material. zum Strafgesetzb., Bd. I, 
S. 120—123, 194 ff.). — Auch das Reichsstraf- 
gesetzbuch kennt als Strafe nur die Einziehung 
einzelner bestimmter Gegenstände. Vgl. S§. 40, 
4,. 152, 295, 360, 367, 369 und Einführungs- 
gesetz §. 5. Ebenso besondere Strafbestimmungen 
z. B. Vereinszollgese v. 1. Juli 1869, SS. 134, 135; 
preuß. Feld= u. Forstpolizeiges. v. 1. April 1880, 
#§. 23. Bei Hoch= und Landesverrat (R. St. G. 
B. §§. 30, 81, 83, 84, 37.—92) sowie in den 
#§. 110 angegebenen Verletzungen der Wehrpflicht 
kann zwar keine „Einziehung“, wie Arndt, 
Kommentar, S. 62, behauptet, wohl aber eine 
Beschlagnahme, in den ersteren Fällen bis zur 
rechtskräftigen Beendigung der Untersuchung, in 
den letzteren Fällen nach Ermessen des Richters 
  
bis zur eventuell höchsten Geldstrafe und der 
Kosten des Verfahrens, erfolgen. Vgl. auch 
Schwart, Verf. Urk., S. 71. 
2 Die Bedeutung dieses Sates ist die, daß es 
die Regel bilden soll, daß die Entschädigung vor 
der Enteignung nicht bloß festzustellen, sondern 
auch zu leisten sei. Da indes die (GGewährung 
der Entschädigung sich in dringenden Fällen, z. B. 
bei Feuers= oder Wassersnot, gar nicht realisieren 
läßt und die Forderung derselben die Regierung 
auf das Gebiet der Willkür treiben würde, die 
der Artikel eben verhüten soll, so ist bestimmt 
worden, daß in dergleichen wällen wenigstens eine 
vorläufige Feststellung der Entschädigung erfolgen 
müsse, wogegen ein Antrag, welcher verlangte, 
daß auch in solchen Fällen die vorläufig festzu- 
stellende Entschädigung vor der Enteignung ge- 
währt werden solle, abgelehnt wurde (vgl. den 
Bericht des Zentralansschusses der I. Kammer 
1849—50., Bd. II. S. 669). Das Wort: „vor- 
läufig“" wurde noch dahin erläutert, daß damit 
ausgedrückt sein solle: „soweit als dies zur Er- 
langung einer richtigen Grundlage für die weitere 
Feststellung nötig ist“. Es solle in den in Rede 
stehenden Fällen wenigstens das geschehen, was 
auch dann immer möglich sein werde, nämlich 
eine vorläufige Feststellung, die für die späteren 
Erörterungen eine Basis gibt 0a. a. O., S. 670). 
s Stier-Somlo, Pflicht des Eigentümers 
usw., S. 72 ff., Entsch. des O. V. G., XVI, 321. 
* Dieser allgemeine Grundsatz wurde schon 
bei den Verhandlungen über die Verf. Urk.#Stenogr. 
Ber. der I. Kammer 1849—1850, Bd. II, S. 
669 f., anerkannt und ist konsequent in der 
Rechtsprechung festgehalten: Entsch. d. O. V. G., 
X, 315; Xll, 397 ff.; XIII, 414: XXIV, 399: 
VIII. 327: Xl. 367; XXI, 411 u. a. m. R. G. 
i. Straff. I1V. 106. S. auch Schwarts, Verf.
	        
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