Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Freiheit und Sicherheit des Eigentums. (8. 58.) 223 
Gesetzgebungen sind überhaupt die Zwecke gesetzlich bestimmt, für welche eine Enteignung 
zulässig ist — Normen aufgestellt werden und für andere an die Stelle des Königs 
ein anderweitiges Organ des Staates tritt. 
A. Gesetzliche Normen hat das Enteignungsgesetz ausgestellt: 
a) für Eisenbahnen im §. 23, was, wie die Entstehungsgeschichte des Gesetzes er- 
gibt, zunächst die Bedeutung hat, daß der Unternehmer einer Eisenbahn einen rechtlichen 
Anspruch auf die Erteilung des Enteignungsrechtes durch den König besitzt, indem zu- 
gleich durch dieses Unternehmen der Umfang bestimmt wird, in welchem der Unternehmer 
Anspruch auf das Enteignungsrecht haben soll. Der erste von der Staatsregierung vor- 
gelegte Entwurf des Gesetzes enthielt keine Bestimmungen über den Gegenstand, ging 
jedoch von der Ansicht aus, daß durch das neue Gesetz nur die §§. 11—19 des Ge- 
setzes über die Eisenbahnunternehmungen v. 3. Nov. 1838, welche das Verfahren be- 
treffen, nicht aber auch die §§. 8— 10 desselben, welche den Anspruch der Eisenbahn- 
gesellschaften auf das Expropriationsrecht und dessen materiellen Umfang regeln, aufge- 
hoben werden sollten.? Da jedoch in der Kommission des Herrenhauses hierüber Zweifel 
entstanden, so beantragte diese 3, und das Herrenhaus beschloß", eine ausdrückliche Be- 
stimmung in das Gesetz aufzunehmen, daß die Bestimmungen der §§. 8— 10 des 
Gesetzes v. 3. Nov. 1838 in Kraft bleiben sollten. In diesem Wortlaute erschien 
dann der vom Herrenhause eingeschaltete Paragraph in den späteren Entwürfen des 
Gesetzes wieder, bis ihm die Kommission des Abgeordnetenhauses in der Session von 
1871—72 seine jetzige Stellung (als §. 23) in folgender Fassung gab: „Die Be- 
stimmungen der §§. 8, 9 und 10 des Gesetzes über die Eisenbahnunternehmungen v. 
3.Nov. 1838, soweit sie den Umfang des Enteignungsrechtes betreffen, bleiben in Kraft.“ 
Die Kommission machte nämlich darauf aufmerksam, daß die gedachten Paragraphen auch 
Bestimmungen über das Verfahren enthielten, und da es nicht in der Absicht liege, für 
Eisenbahnen ein von den allgemeinen Grundsätzen abweichendes Verfahren beizubehalten, 
so solle dies durch die vorgeschlagene Fassung festgestellt werden 5, wobei die Kommission 
übrigens den Wunsch aussprach, die beizubehaltenden Bestimmungen in das Gesetz auf- 
zunehmen. Infolgedessen versuchte zunächst der in der Session von 1873—74 einge- 
brachte anderweitige Entwurf eine spezielle Formulierung der betreffenden Grundsätze, 
welche nur in wenigen Beziehungen von dem Gesetze v. 3. Nov. 1838 abwich und — 
von geringen Modifikationen, die sie in den beiden Häusern des Landtages erfahren hat, 
abgesehen — in den §. 23 des Gesetzes v. 11. Juni 1874 übergegangen ist. Der 
§. 23 hat mithin diejenigen Grundsätze reproduzieren wollen, welche die §§S. 8—10 
des Gesetzes v. 3. Nov. 1838 enthalten. Da aber der erste Absatz des §. 8 den Eisen- 
bahnunternehmern unzweifelhaft ein Recht auf Enteignung gegeben hat, so muß ein solches 
auch nach den Bestimmungen des Gesetzes v. 11. Juni 1874 als fortbestehend erachtet 
werden.“ Was aber den Umfang betrifft, in welchem Eisenbahnunternehmer einen An- 
spruch auf das Enteignungsrecht haben, so bestimmt hierüber der §. 23 des Gesetzes 
v. 11. Juni 1874 8, daß das gedachte Recht sich insbesondere erstreckt: „a) auf den 
  
1 S. die Angaben bei G. Meyer, Verw. R., 
I, S. 283, N. 4; vgl. S. 222, N. 2 
2 Vgl. die Motive zum §. 52 des Entwurfs 
in den Stenogr. der. dee H. H. 1868—69, Bd. II, 
Aktenst. Nr. 10, S. 33, Sp. 2, welche nur die 
§8§. 11—19, niche cber. die 88. 8—10 des G. v. 
3. Nov. 1838 als aufzuhebend anführen. 
9 gl. den Kommisseonsbericht v. 14. Dez. 1868 
in den Stenogr. Ber. a. a. O., Aktenst. Nr. 37, 
S. 221 zum §. 51 a. 
4 Ugl. Stenogr. Ber. des H. 
Bd. I. S. 112. 
5 Vgl. den Kommissionsbericht v. 4. März 1874 
zum §. 24 in den Stenogr. Ber. des Abg. H. 
1871—72, Anl. Bd. III, Aktenst. Nr. 223, 
S. 1214, Sp. 1. 
H. 1868—69, 
  
( Vgl. §. 24 des Entwurfs von 1873 nebst 
den Motiven dazu in den Stenogr. Ber. des Abg. 
H. 1873—74, Anl. Bd. I, Aktenst. Nr. 18, S. 191 
u. 196. 
* Vgl. G. Meyer in Behrends Zeitschr. 
Bd. VIII, S. 561 ff.; Eger, I, S. 42. Es ist die 
herrschende Ansicht, daß die 85. 8—10 des G. v. 
1838 durch das Enteignungsgesetz von 1874 nicht 
abgeändert worden sind, doch fehlt es nicht an 
Schriftstellern, die das Gegenteil behaupten, z. B. 
Gleimin Stengels Wörterbuch, Artikel Eisenbahn- 
konzessionen. 
s Vgl. dazu Eger, I, S. 45 ff. und besonders 
II, S. 173—194, über die Einzelpunkte des §. 23 
in sehr ausführlicher Darstellung.
	        
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