Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Freiheit und Sicherheit des Eigentums. (§. 538.) 229 
Die Sachverständigen müssen die Eigenschaften völlig glaubwürdiger Zeugen besitzen und 
dürfen insbesondere nicht zu denjenigen Personen gehören, die selbst als Entschädigungs- 
berechtigte von der Enteignung betroffen sind. Sie geben ein Gutachten ab, über welches 
sich auszusprechen den Beteiligten Gelegenheit gegeben werden muß (88§. 25—28).1 
Die Feststellung der Entschädigung erfolgt durch einen mit Gründen zu versehenden 
Beschluß des Bezirksausschusses (§. 29).: Dieser Beschluß hat die Höhe der Ent- 
schädigungssumme, die zu bestellende Kaution, die Pflicht des Unternehmers zur Uber- 
nahme von Restgrundstücken und die Entschädigungssummen für die Nebenberechtigten, 
welche nicht bereits in der dem Eigentümer gewährten Entschädigung enthalten sind, fest- 
zustellen. Falls die Nebenberechtigten lediglich auf die dem Eigentümer zugebilligte 
Summe angewiesen werden, hat der Beschluß auf Antrag des Eigentümers oder des be- 
treffenden Nebenberechtigten das Anteilsverhältnis der letzteren an der Entschädigung fest- 
zustellen, vorausgesetzt, daß die Berechtigung selbst eine unbestreitbare ist, wogegen ein 
Streit über das Anteilsverhältnis eines Nebenberechtigten an der für das Eigentum fest- 
gestellten Entschädigung lediglich zwischen dem Nebenberechtigten und dem Eigentümer 
auszutragen ist. Gegen die durch den gedachten Beschluß getroffene Entschädigung steht 
sowohl dem Unternehmer als den übrigen Beteiligten innerhalb sechs Monaten nach Zu- 
stellung des Beschlusses der Rechtsweg bei dem Gerichte, in dessen Bezirk das 
Grundstück belegen ist, offen (§. 30); ein weiteres Verfahren im Verwaltungs- 
wege ist demgemäß ausgeschlossen. Wegen solcher nachteiligen Folgen der Ent- 
eignung, welche erst nach dem zum Zwecke der kommissarischen Verhandlung mit dem 
Entschädigungsberechtigten abgehaltenen Termine erkennbar werden, bleibt dem Ent- 
schädigungsberechtigten bis zum Ablaufe von drei Jahren nach der Ausführung des Teiles 
der Anlage, durch welche er benachteiligt wird, ein im Rechtswege verfolgbarer perfön- 
licher Anspruch gegen den Unternehmer vorbehalten (§. 31).4 
c) Die Vollziehung der Enteignung wird auf Antrag des Unternehmers 
vom Bezirksausschuß ausgesprochen und darf erst dann stattfinden, wenn 1. eine 
rechtskräftige Entscheidung über die Entschädigung vorliegt und 2. die Entschädigungs- 
oder Kautionssumme nachgewiesenermaßen entweder rechtsgültig gezahlt oder hinterlegt ist. 
Die Enteignungserklärung schließt, insofern nicht ein anderes dabei vorbehalten wird, die 
Einweisung in den Besitz in sich (§. 32). Der Eigentumsübergang voll- 
zieht sich also durch die auf Grund des Gesetzes ergangene behördliche 
Entscheidung auf „Vollziehung“ der Enteignung." „Mit Zustellung des 
Enteignungsbeschlusses (§F. 32) an Eigentümer und Unternehmer geht das 
Eigentum des enteigneten Grundstücks auf den Unternehmer über “: so be- 
stimmt §. 44, Abs. 1 den Eigentumsübergang. „Das enteignete Grundstück wird 
mit dem in §. 44 bestimmten Zeitpunkt von allen darauf haftenden privat- 
rechtlichen Verpflichtungen frei, soweit der Unternehmer dieselben nicht frei- 
willig übernommen hat. Die Entschädigung tritt rücksichtlich aller Eigen- 
tums-, Nutzungs= und sonstigen Realansprüche, insbesondere der Reallasten, 
Hypotheken und Grundschulden an die Stelle des enteigneten Gegenstandes“ 
(§. 45).7 Gegen die Enteignungserklärung gibt es kein Rechtsmittel mehr. 
  
132), s. auch Eger, II, 351. Vgl. über §. 32 
bes. auch Gierke a. a. O., S. 491 f., 496, 502 
und die dortigen Angaben über das französische 
: Über die — bobligatorische — Zuziehung 
von Sachverständigen Eger, II, S. 245 ff., 
maßgebend ist die Analogie des Zivilprozesses, 
s. Z. P. O. Ss. 404, 406. und sächsische Recht. 
* Z. G. §. 150, für Berlin die 1. Abteil. des * S. hierüber sowie über die Stellung anderer 
deutscher Gesetzgebungen in der Frage G. Meyer, 
Verw. R., 1. S. 286; bei Stengel, I. S. 358; 
ferner Eger, II, S. 335—352, 475 ff. Gierke, 
S. 500. 
Polizeipräsidiums, L. V. G. §. 54; vgl. zum folgen- 
den Eger, II, S. 260—278. 
2 Vgl. über den Rechtsweg aus §. 30 Eger, 
II, S. 278—313 und die dort zitierten zahl- 
reichen Entsch. des R. G. Vgl. hierher Gierke a. a. S. S. 482, N. 81, 
* Eger, II, S. 313—335. 195 f., 505. Uber die Modifikationen dieser Vor- 
5 Erforderlichenfalles hat die Einweisung in 1 schrift auf Grund des Reichogesetzes v. 24. März 
den Besitz auf dem Wege des Verwaltungs 1897 über Zwangsversteigerung s. Eger, I, 370 f.; 
zwangsverfahrens zu erfolgen (L. V. G. S5. 60, II, 476.
	        
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