Gleichheit der Staatsbürger vor dem Gesetze. (8. 50.) 17
Religionsunterricht zu erteilen berufen ist.“ Der Kultusminister hat denn auch in der
Tat späterhin die Behauptung, daß die Bestimmungen des 8. 2 des Gesetzes v. 23. Juli
1847 auch der Verfassungsurkunde gegenüber in Geltung geblieben seien, ausdrücklich
widerrufen und erklärt, daß auf die Vorschriften des Gesetzes v. 23. Juli 1847 nicht
mehr zurückgegangen werden dürfe. Dessenungeachtet beharrte jedoch der Kultusminister
bei der Meinung, daß, obschon der Anstellung von Juden im Unterrichts= und Medizinal-
wesen ein prinzipielles Bedenken nicht entgegenstehe, es doch in jedem konkreten Falle
darauf ankomme, ob die Unterrichtsanstalt einen konfessionellen Charakter
habe. Im allgemeinen werde die Anstellung von Juden als Lehrer an öffentlichen
Schulen und Unterrichtsanstalten bei nachgewiesener Befähigung nicht beanstandet werden,
sondern nur in denjenigen Fällen, wo der Charakter der betreffenden Anstalten als christ-
lich-konfessioneller Unterrichtsanstalten ein Hindernis bilde. An Realschulen und Uni-
versitäten könnten Juden in der Regel angestellt werden, insofern nicht auch diesen
Anstalten der christlich -konfessionelle Charakter speziell beigelegt oder auch für diese ob-
servanzmäßig begründet sei. Rücksichtlich der öffentlichen Volksschulen sei der Art. 24
der Verfaffungsurkunde entscheidend, welcher bestimmt, daß bei deren Einrichtung die
konfessionellen Verhältnisse zu berücksichtigen seien.K Von seiten des Hauses der Ab-
geordneten ist dieser Erklärung des Kultusministers gegenüber nur so viel zugegeben
worden, daß die Ausschließung von Juden als Lehrer in denjenigen Fällen gerechtfertigt
sei, wo Statuten und Stiftungen der Lehranstalt dies ausdrücklich vorschreiben, oder der
hierauf beruhende konfessionelle Charakter der Lehranstalt die Ausschließung bedingt; ab-
gesehen von solchen Fällen aber habe zwar die im Art. 14 der Verfassungsurkunde an-
geordnete Berücksichtigung der christlichen Religion überall bei den mit der Religions=
übung im Zusammenhange stehenden Einrichtungen des Staates einzutreten, jedoch nur
da, wo es sich um solche Einrichtungen wirklich handelt. Der Art. 24 entscheide nichts
für die vorliegende Frage und gehöre überdies zu den nach dem Art. 112 suspendierten
Bestimmungen.: Daß indes das Kultusministerium nicht die Überzeugung von der Un-
haltbarkeit seiner Ansicht gewann, ergibt der Bescheid desselben v. 25. Jan. 1869 9, in
welchem der bis dahin eingenommene Standpunkt der „Konfessionalität der Schulen“ als
für die Frage entscheidend aufrecht erhalten wurde. Dieser Bescheid gibt zwar zu, daß
die staatsbürgerliche Stellung der Juden in Beziehung auf ihre Anstellungsfähigkeit im
Schuldienste genau dieselbe sei wie diejenige aller Preußen und verheißt, daß die An-
stellung von Juden im Gebiete der Unterrichtsverwaltung bei nachgewiesener Befähigung
nicht beanstandet werden solle; es wird indes sofort wieder die Beschränkung hinzugefügt,
„soweit nicht der christlich-konfessionelle Charakter der Anstalt ein Hindernis biete“. Der
Minister führt aus, daß diese letztere Modifikation in keinem Zusammenhange mit dem
staatsbürgerlichen Rechte stehe, sondern eine aus der Natur der Sache hervorgehende
Schranke sei, welche nicht bloß den Juden, sondern auch den Evangelischen und Katho-
lischen entgegenstehe. Daß ein Evangelischer in der Regel von der Anstellung an einer
katholischen Unterrichtsanstalt ausgeschlossen werde, und umgekehrt, sei keine Beschränkung
des staatsbürgerlichen Rechts, sondern eine in der Glaubensstellung des Einzelnen und
dem Charakter der einzelnen Unterrichtsanstalt begründete Notwendigkeit. Die Zulässig-
keit der Anstellung von Juden als Lehrer an denjenigen Unterrichtsanstalten, welche, wie
die Universitäten und die sog. Fachschulen, in der Regel einen bestimmten religiösen
oder konfessionellen Charakter nicht haben und eines solchen auch nicht bedürfen, weil sie
nicht die Aufgabe der Erziehung haben, sei nicht zu bezweifeln; es walte aber auch hin-
sichtlich derjenigen Unterrichtsanstalten, welche zugleich die Aufgabe der Erziehung haben,
1 Vgl. die Erklärungen des Kommissariuss ? Vgl. den Ber. der Petitionskomm. des Abg. H.
des Kultusmin. v. Mühler in dem Ber. der v. 31. Dez. 1866 (Stenogr. Ber. desselben 1866
Petitionskomm. des Abg. H. v. 21. Dez. 1866—67, Anl. Bd. II, Aktenst. Nr. 143, S. 692,
(Stenogr. Ber. des Abg. H. 1866—67, Anl. zu B) und den hierauf gestützten Beschl. des Abg.
Bd. II, Aktenst. Nr. 143, S. 691) und in derH. v. 12. Jan. 1867 (a. a. O., Bd. III, S.
Plenarsitz. v. 12. Jan. 1867 (a. a. O., Bd. III.1463—65).
S. 1455). 2: M. Bl. d. i. Verw. 1869, S. ö7.
v. Rönne-Zorn, Preuß. Staatsrecht. 5. Aufl. I1. 2