Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Das Recht der freien Meinungsäußerung. (§. 59.) 265 
4. Auf die von den deutschen Reichs-, Staats= und Gemeindebehörden, von dem 
deutschen Reichstage oder von der Landesvertretung eines deutschen Bundesstaates aus- 
gehenden Druckschriften finden, soweit sich ihr Inhalt auf amtliche Mitteilungen beschränkt, 
die Vorschriften der §§. 6—11 keine Anwendung (F. 12); diese Vorschrift wird auch 
analog auszudehnen sein auf die Behörden des landesherrlichen Kirchenregimentes, aber 
nicht auf die übrigen Kirchenbehörden. 
5. Die auf mechanischem oder chemischem Wege vervielfältigten periodischen Mit- 
teilungen (lithographierte, autographierte, metallographierte, durchschriebene oder gedruckte? 
Korrespondenzen) unterliegen, sofern sie ausschließlich an Redaktionen verbreitet werden, den 
in dem Reichsgesetze flr periodische Druckschriften getroffenen Bestimmungen nicht? (F. 13). 
3. a) Ist gegen eine Nummer (Stück, Heft) einer im Auslande erscheinenden“ 
periodischen Druckschrift binnen Jahresfrist zweimal eine Verurteilung irgendwelcher Art ? 
auf Grund der 88. 41 und 42 des Strafgesetzbuchs " erfolgt, so kann der Reichskanzler? 
innerhalb zwei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft des letzten Erkenntnisses das Ver- 
bot der ferneren Verbreitung dieser Druckschrift bis auf zwei Jahre durch öffentliche Be- 
kanntmachung, die im Zentralblatt des Deutschen Reiches amtlich veröffentlicht wird s, aus- 
sprechen (§. 14)7; s. dazu auch §§. 18, 23 und unten S. 266, 269. 
b) In Zeiten der Kriegsgefahr oder des Krieges können Veröffentlichungen über 
Truppenbewegungen oder Verteidigungsmittel durch den Reichskanzler mittels öffentlicher 
Bekanntmachung verboten werden (F. 15); wo diese zu erfolgen hat, ist nicht gesagt; 
jedenfalls sind dazu die amtlichen Publikationsorgane zu benutzen, aber auch sonst für 
möglichste Verbreitung zu sorgen; Berufung auf Unkenntnis ist unzulässig. 10 
ffentliche Aufforderungen mittels der Presse zur Aufbringung der wegen einer 
  
trag des Beteiligten aus §. 19, Abs. 1, Ziff. 3 
des Preßgesetzes bestraft, auch durch das Staf- 
urteil die nunmehrige Aufnahme des Artikels in 
die nächste Nummer nach Rechtskraft des Urteils 
angeordnet worden ist, und nunmehr der Redak- 
teur den Artikel auch jetzt nicht aufnimmt, so ist 
er auf Anrag, des Beteiligten abermals aus dem 
§. 19, Abs. Ziff. 3 zu bestrafen, weitere 
#u##emuure aber gewährt das Gesetz nicht 
(Erk. des Ob. Trib. v. 13. Sept. 1877, J. M. 
Bl. 1877, S. 228; Entsch., Bd. LXXXI., S. 
* Oppenhoffs Rechtfprechung, Bd. XVIII, 
558): v. Liszt, S. 92. 
Ebenso Berner, S. 242; v. Liszt, S. 67. 
A. A. G. Meyer, Verw. R., Bd. 1, S. 175, 
Note 7. 
2 G. Mepet; Verw. R., Bd. L, S. 176, 
N. 13. E— A. Entsch. d. Reichsgerichts i. Straff. 
Bd. XI, 406 fi. 
Diese Bestimmung bezweckt die Entscheidung 
der bisher von den preußischen Gerichten schwankend 
beurteilten Frage, inwiefern die sogen. lithogra- 
phierten Korrespondenzen den für die Zeitungen 
bestehenden Vorschriften unterworfen sind. (Vgl. 
die Motive zum §. 13 des Entwurfs, Stenogr. 
Ber. des Reichstages 1874, 1. Session, Bd. III, 
Aktenst. Nr. 23. S. 140.) 
4 S. hierüber v. Liszt, S. 17, 106. 
5 Nicht etwa nur bei Rückfall, wie v. Liszt, 
S. 107 und Berner, S. 248 annehmen. 
* Nämlich in Fällen, wo nur auf Unbrauch- 
barmachung der Exemplare usw. erkannt worden ist, 
weil strafrechtliche Verfolgung einer Person unmög- 
lich war, sogen. objektives Verfahren, siehe darüber 
270 zu L. sowie die Lehrbücher des Strafrechts. 
7 Hiernach findet also eine Befugnis des 
preußischen Ministers des Junern zum Verbote 
  
ausländischer Zeitungen oder Zeitschriften, welche 
der §. 52 des preußischen Preßgesetzes v. 12. Mai 
1851 diesem für den Fall beilegte, wenn gegen 
eine Nummer, ein Stück oder Heft einer solchen die 
Vernichtung erkannt worden war, nicht ferner statt. 
Bezüglich anderer im Auslande erschienenen Druck- 
schriften aber stand auch schon nach dem Preß- 
gesetze v. 12. Mai 1851 dem Minister des Innern 
ein Verbotrecht niemals zu, sondern es fanden 
auf solche lediglich dieienigen Grundsätze An- 
wendung, welche für inländische Schriften maß- 
gebend sind. Sie konnten also, und können auch 
jetzt, unter Innehaltung der gesetzlichen Vorschriften, 
unter Anklage gestellt, bezw. mit Beschlag belegt 
und es kann unter den gesetzlichen Voraussetzungen 
gegen Personen, welche sich mit dem Verkaufe 
oder der Verbreitung befaßt haben, auf Strafe 
erkannt werden. 
Dies ist konstante Praxis und damit ist 
jede Berufung auf Unkenntnis ausgeschlossen. 
Ebenso Berner, S. 219; a. A. v. Liszt, 
S. 109: G. Meyer, Verw. R., Bd. I, S. 184, 
N. 5 fordert Bekanntmachung im R. G. B., das 
hierzu ganz ungeeignet ist. 
°" Der Abs. 2 des §. 14 hat ausgesprochen, 
daß die in den einzelnen Bundesstaaten auf Grund 
der Landesgesetzgebung bis dahin erlassenen Ver- 
bote ausländischer periodischer Druckschriften außer 
Wirksamkeit treten. S. zu §S. 14 G. Meyer, 
Verw. R., Bd. I. S. 183 f.: v. Liszt, S. 106 ff. 
liber die schwierige Frage der eventuellen Iden- 
tität einer neuen mit einer verbotenen Druck- 
schrift v. Liszt, S. 110 f. 
10 Entgegengesetzer Ansicht v. Liszt., S.107 ff. 
Mit dem Text übereinstimmend Berner, S. 249;: 
G. Meyer, Verw. R., Bd. I, S. 182: s. oben 
S. 263, N. 3.
	        
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