Das Recht der freien Meinungsäußerung. (§. 59.) 269
Schriften, Abbildungen) des Reichsstrafgesetzbuches mit Strafe bedrohten Handlungen be-
gründet, in den Fällen der §§. 111 und 130 jedoch nur dann, wenn dringende Gefahr
besteht, daß bei Verzögerung der Beschlagnahme die Aufforderung oder Anreizung ein
Verbrechen oder Vergehen unmittelbar zur Folge haben werde (8. 23).1 In allen diesen
Fällen aber ist Voraussetzung der Beginn der Verbreitung.?
2. Über die Bestätigung oder Aufhebung der vorläufigen Beschlagnahme hat das
zuständige 3 Gericht zu entscheiden. Diese Entscheidung muß von der Staatsanwalt-
schaft binnen 24 Stunden nach Anordnung der Beschlagnahme beantragt und von dem
Gericht binnen 24 Stunden nach Empfang des Antrages erlassen werden. Hat die
Polizeibehörde die Beschlagnahme ohne Anordnung der Staatsanwaltschaft verfügt, so muß
sie die Absendung der Verhandlungen an die letztere ohne Verzug und spätestens binnen
12 Stunden bewirken. Die Staatsanwaltschaft hat entweder die Wiederaufhebung der
Beschlagnahme mittels einer sofort vollstreckbaren Verfügung anzuordnen, oder die ge-
richtliche Bestätigung binnen 12 Stunden nach Empfang der Verhandlungen zu bean-
tragen. Wenn nicht bis zum Ablauf des fünften Tages nach Anordnung der Beschlag-
nahme der bestätigende Gerichtsbeschluß der Behörde, welche die Beschlagnahme angeordnet
hat, zugegangen ist,
folgen (§. 24).
erlischt die letztere und muß die Freigabe der einzelnen Stücke er-
3. Gegen den Beschluß des Gerichts, welcher die vorläusige Beschlagnahme aufhebt,
findet ein Rechtsmittel nicht statt (§. 25),
der Bestätigungsbeschluß dagegen kann mit
Beschwerde angefochten werden nach Strafprozeßordnung, S§. 346.
4. Die vom Gericht bestätigte vorläufige Beschlagnahme ist wieder aufzuheben, wenn
nicht binnen zwei Wochen nach der Bestätigung die Strafverfolgung in der Hauptsache
eingeleitet worden ist (§. 26).
5. Die Beschlagnahme von Druckschriften trifft die Exemplare nur da,
wo der-
gleichen zum Zwecke der Verbreitung sich befinden, nicht aber die bereits in Privatbesitz
übergegangenen.
Sie kann sich nach Ermessen der beschlagnahmenden Behörde auf die
zur Vervielfältigung dienenden Platten und Formen im weitesten technischen Sinne er-
strecken;
schlagnahme des Satzes das Ablegen des letzteren zu geschehen.
bei Druckschriften im engeren Sinne hat auf Antrag des Beteiligten statt Be-
Bei der Beschlagnahme
find die dieselbe veranlassenden Stellen der Schrift unter Anführung der verletzten Ge-
setze zu bezeichnen.
welche nichts Strafbares enthalten,
Trennbare Teile der Druckschrift (Beilagen einer Zeitung usw.),
sind von der Beschlagnahme auszuschließen (§. 27).
6. Während der Dauer der Beschlagnahme ist die Verbreitung, d. i
i. die Zugäng-
1 In betreff der Bestimmungen der s§. 23—29
des Reichspreßgesetzes hat das Ob. Trib. in dem
Erk. v. 4. Mai 1876 folgende Grundsätze an-
genommen: a) Auf die durch das Gericht ver-
anlaßten Beschlagnahmen einer Druckschrift finden
die für vorläufige Beschlagnahme durch die Staats-
anwaltschaft oder die Polizeibehörde im Preß-
gesetze enthaltenen Vorschriften keine Anwendung:
b) das bloße, dem Antrage des Staatsanwaltes
folgende tatsächliche Vorgehen eines Untersuchungs-
richters ist im Sinne des Preßgesetzes keine ge-
richtliche Anordnung und benimmt der so be-
wirkten Beschlagnahme einer Druckschrift nicht
die Natur einer vorläufigen Beschlagnahme durch
den Staatsanwalt; c) eine gerichtliche Anordnung
der Beschlagnahme einer Druckschrift im Sinne
des Preßgesetzes kann nicht durch die Handlung
des bei einem Kollegialgerichte fungierenden Unter-
suchungsrichters, sondern nur durch Beschluß
der kompetenten Gerichtsabteilung bewirkt werden.
(Oppenhoffs Rechtsprechung, Bd. XVII, S. 328;
Goltdammers Archiv, Bd. XXIV, S. 235).
Wenn eine Freisprechung von der Anklage
eines Preßvergehens erfolgt, so findet dadurch die
früher bewirkte Beschlagnahme des Preßerzeugnisses
ihre Erledigung, insofern nicht in dem Urteile
die Unbrauchbarmachung auf Grund des F. 42
des Strafgesetzbuches angeordnet, oder ein hier-
auf bezügliches Verfahren vorbehalten ist (Erk.
des Ob. Trib. v. 15. April 1875, Oppenhoffs
Rechtsprechung, Bd. XVI, S. 290). Zur Beschlag-
nahme von Preßerzeugnissen ist das Gericht
jedes Ortes zuständig, wo sich in Beschlag zu
nehmende Exemplare befinden, und es wird die
Zuständigkeit des betreffenden Zivilgerichtes auch
dadurch nicht berührt, daß sich unter den Be-
schlagnahmeinteressenten Militärpersonen befinden
(Erk. des Ob. Trib. v. 16. April 1875, Oppen-
hoffs Rechtsprechung, Bd. 4 S. 300).
* S. hierüber v. Liszt, S. 123 f., der für
die Fälle zu a) Vesichlagiohmer nach Ausgabe
der Drucschrifr zuläßt.
S. v. Liszt, S. 125 f.; es gelten hierfür
die allgemeinen Vorschriften der Strafprozeß=
ordnung, vor Erhebung der Klage Amtsgericht,
nachher Prozeßgericht.