Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

18 Das Staatsbürgerrecht. (8. 50.) 
vollständige Rechtsgleichheit ob; dies zeige sich vor allem bei der Elementarschule, indem 
da, wo das Bedürfnis vorhanden ist, für die Errichtung jüdischer Elementarschulen ge— 
sorgt werde, in denen jüdische Lehrer unterrichten. Die Natur der Verhöältnisse erfordere, 
daß evangelische Elementarlehrer nur an evangelischen Elementarschulen, katholische nur 
an katholischen und jüdische nur an jüdischen angestellt werden. Wesentlich ebenso ver- 
halte es sich aber auch mit den häöheren Unterrichtsanstalten, soweit sie zugleich den 
Zweck der Erziehung verfolgen; denn zur Erfüllung dieser letzteren Aufgabe könnten auch 
die höheren Unterrichtsanstalten eines bestimmten religiösen, resp. konfessionellen Charakters 
nicht entbehren, und daher dürften die Lehrerkollegien dieser Anstalten in der Regel nur 
aus Personen bestehen, deren Bekenntnis dem religiösen Charakter der betreffenden An- 
stalt entspricht. 
Bei diesen Grundsätzen ist die preußische Unterrichtsverwaltung im 
wesentlichen, wenn auch unter mancherlei Schwankungen im einzelnen, bis heute ver- 
blieben. 
Eine erschöpfende Behandlung der Frage kann somit nur im Zusammenhange 
des Schulrechtes gegeben werden, das in Band III darzustellen sein wird.1 
Das Ministerium des Innern hat früher auch die Zulassung jüdischer Glaubens- 
genossen zum Schulzenamte und der jüdischen Rittergutsbesitzer zur persönlichen Aus- 
Üübung der polizeiobrigkeitlichen Gewalt für unstatthaft erklärt ?; allein die Verfassungs- 
  
1 Aus diesem Grunde ist die, in der 4. Aufl. 
S. 275 ff., hier folgende Kritik der oben darge- 
legten Grundsätze des Kultusministeriums ge- 
strichen. Die v. Rönnesche Kritik beruht auf 
den Gneistschen Ausführungen üÜlber den inter- 
konfessionellen Charakter der preußischen Volks- 
schule, die inzwischen durch Bierling, D. konfess. 
Schule in Preußen (1885), eine vollständige Wider- 
legung gefunden haben. S.über diese vielumstrittenen 
und schwierigen Fragen im Schulrecht, Bd. III. 
2 Vgl. das Reskr. des M. d. J. v. 17. Juli 1853 
(M. Bl. d. i. Verw. 1853, S. 160) und das Zirk. 
Reskr. desselben Min. v. Juli 1856 (Ranuers 
neuere ständ. Gesetzgeb., S. 310). Diese Erlasse 
gründen sich auf die Behauptung, daß der Art. 
12 der Verf. Urk. nur einen allgemeinen Grund- 
satz ausspreche, welcher nicht die Kraft habe, be- 
stimmte partikuläre Rechte, wie die älteren Ge- 
meindeverfassungen solche enthielten, ohne weiteres 
aufzuheben, wozu es vielmehr einer ausdrück- 
lichen Gesetzesvorschrift bedürfe, welche erst nach 
den leitenden Grundsätzen des Art. 12 erlassen 
werden müßte. Betreffs der Nichtzulassung der 
Juden zum Schulzenamte wird auf das dieselbe aus- 
sprechende Zirk. Reskr. des M. d. J. v. 4. Mai 
1833 (v. Kamptz, Ann., Bd. XVII, S. 442) 
Bezug genommen. — Es wurde hier gegen die Zu- 
lassung der Juden zu öffentlichen Amtern das- 
selbe Argument geltend gemacht, mit welchem 
ihre Zulassung zur Ausübung der Standschafts- 
rechte damals bestritten wurde. Allein es leuchtet 
ein, daß die Vorschrift des zweiten Satzes des 
Art. 12 hier gar nicht erst eines Ausführungs- 
gesetzes bedarf, um sofort und ohne weiteres zur 
Anwendung gebracht werden zu können, und daß 
auf die älteren Vorschriften, welche den Art. 4 
und 12 der Verf. Urk. zuwiderlaufen, nach Art. 
109 nicht mehr zurückgegangen werden darf. 
Ubrigens gab der M. d. J. in seinen Erlassen 
zu. daß der Art. 12 für die künftige Gesetgebung 
bestimmend sein müsse, und damit schien wenigstens 
anerkannt werden zu sollen, daß es unstatthaft 
sei, in neuen Gesetzen eine Ausschließung der 
Inden von öffentlichen Amtern anzuordnen. In- 
  
des auch an diesem Zugeständnisse wurde nicht 
festgehalten. Bei Beratung der von der Staats- 
regierung eingebrachten ländlichen Gemeinde- 
ordnung verteidigte vielmehr der M. d. J. die 
Ansicht, daß es mit den Bestimmungen der Ver- 
fassung vereinbar sei, die Juden von den öffent- 
lichen Amtern, insbesondere von den Schulzen- 
ämtern auszuschließen. Die Argumentation ging 
dahin, „daß der Art. 4 der Verf. Urk. gestatte, 
durch Gesetze die Bedingungen festzusetzen. 
unter denen jemand zu einem Amte gelangen 
dürfe, und daß zu diesen Bedingungen auch 
das Religionsbekenntnis gehören dürfe, wes- 
halb es mit den Art. 4 und 12 nicht unverein- 
bar sei, die Juden von allen öffentlichen Amtern 
im Wege der Gesetzgebung auszuschließen“, und 
„daß der Art. 12 zwar bestimme, daß der Ge- 
nuß der staatsbürgerlichen Rechte nicht abhängig 
sein solle von dem religiösen Bekenntnisse, daß 
es sich aber hier nicht darum handle, ob die 
Juden zu öffentlichen Amtern berechtigt seien, 
sondern ob sie dazu für befähigt angesehen 
werden sollen, worüber nur der Art. 4 entscheide, 
indem er die Bestimmung hierüber der Gesetz- 
gebung überlasse"“ (ogl. Stenogr. Ber. der I. K. 
1852—53, Bd. I. S. 452). Allein diese Argu- 
mentation verstößt (wie überzeugend von dem 
Abg. v. Zander, a. a. O., S. 448—449, dar- 
getan worden ist) eben so sehr gegen die Worte, 
als gegen den Sinn der Art. 4 und 12. Aller- 
dings ist es zulässig, durch Gesetze die Be- 
dingungen festzustellen, an welche die Erlangung 
von Amtern geknüpft ist, also z. B. materielle 
Qualifikation, Kautionsfähigkeit, Dienstalter usw.; 
aber das christliche Religionsbekenntnis dürfen, 
so lange die Art. 4 u. 12 der preuß. Verf. 
Urk., bezw. das R. G. v. 3. Juli 1869 in 
Kraft bleiben, auch die Gesetze nicht als Be- 
dingung aufstellen, so wenig als etwa die Be- 
dingung, „daß der Adel zu diesem oder jenem 
Amte erforderlich sein solle“. Die Bedingungen 
der Befähigung (Art. 4) dürfen von der Gesetz- 
gebung nur gleichmäßig für alle Preußen fest- 
gestellt werden.
	        
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