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Abs. 2).1
Das Staatsbürgerrecht. (F. 60.)
Da ein Recht, selbst wenn es durch die Verfassung gewährleistet ist, ohne
„Ausübung“ ein Nichts ist, die „Ausübung“ des Vereins= und Versammlungsrechtes
aber nach der Verfassung durch das Gesetz geregelt wird, ergibt sich, daß diese gesetz-
liche Regelung die notwendige rechtliche Voraussetzung des Vereins= und
Versammlungsrechtes ist.
4. „Politische Vereine? können Beschränkungen und vorübergehenden Verboten? im
Wege der Gesetzgebung unterworfen werden“ (Art. 30, Abs. 3).
Politische Vereine
haben immer den Zweck, auf öffentliche Angelegenheiten einzuwirken, aber Vereine für
öffentliche Angelegenheiten müssen nicht notwendig politische sein.
5. Die vorstehend (unter 1—4) mitgeteilten Bestimmungen der Verfassungsurkunde
über das Versammlungs= und Vereinigungsrecht finden indes auf das Heer? nur eine
den Rechte erreicht werden soll, indem diese Re-
gelung auch für andere Fälle, z. B. im Interesse
der öffentlichen Ordnung, der Gesundheit u. dgl.
m. eintreten muß (vgl. Stenogr. Ber. der II. K.
1849—50, Bd. II, S. 632, und der I. K., Bd. II,
S. 893—894).
1 Diese Bestimmung des Art. 30 war in der
oktroyierten Verf. Urk. v. 5. Dez. 1848 nicht ent-
halten, sondern ist bei der Revision hinzugefügt
worden. Eé ist dadurch festgesetzt worden, daß nur
der Gesetzgebung (im Gegensatze bloßer polizei-
licher oder Verwaltungsanordnungen) die Befug-
nis zustehen solle, die Ausübung des Versamm-
lungs= und Vereinigungsrechtes zu regeln; keines-
wegs aber soll die Gesetzgebung befugt sein, das
verfassungsmäßig garantierte Recht der Versamm-
lung und Vereinigung zu unterdrücken oder in
willkürlicher Weise zu beschränken. Die nähere
Bestimmung dieses allgemeinen Gesichtspunktes
unterliegt lediglich der gewissenhaften Erwägung
des Gesetzgebers. Nur in betreff der Versamm-
lungen unter freiem Himmel ist (nach Abs. 2
des Art. 29) der Gesetzgebung freie Hand gelassen,
und in betreff der politischen Vereine steht ihr
(nach Abs. 3 des Art. 30) das Recht zu, Be-
schränkungen und vorübergehende Verbote festzu-
setzen (vgl. den Bericht der Revisionskommission
der II. Kammer in den Stenogr. Ber. 1849—50,
Bd. II, S. 632—633, und die Erörterungen
a. a. O., S. 647—650).
: Der Begriff „politische Vereine“ ist jeden-
falls schwer zu definieren. Die Revisionskom-
mission der II. Kammer hat angenommen, es
seien darunter nicht diejenigen Vereine begriffen,
die zum Gegenstande ihrer Verhandlungen einen
einzelnen festbestimmten politischen Zweck im
Sinne der englischen Meetings machen, z. B. die
Wahl eines bestimmten Abgeordneten für die
Volksvertretung, die Erreichung oder Beseitigung
einer einzelnen gesetzlichen Bestimmung oder der-
gleichen, sondern es seien vielmehr hier solche
Verbindungen gemeint, die zum Gegenstande
ihrer Erörterungen und Beschlüsse die Kritik der
Regierungsmaßregeln im allgemeinen machen
(Stenogr. Ber. der II. Kammer 1849—50, Bd. II,
S. 632). Vgl. hierher Caspar, S. 29 ff.: Poli-
tisch sind alle Angelegenheiten, die den Staat
im weitesten Sinne des Wortes, seine Gesetz-
gebung, seine Verwaltung, seine Kulturtätigkeit
betreffen; in diesem Sinne formuliert auch der
Eingang zur Reichsverfassung die Staatsauf-
gaben. Mit Recht weist Caspar, S. 35, auf
das Wechselnde des Begriffes „politisch“ hin, vgl.
auch die dort N. 77 zitierten oberstrichterlichen.
Erkenntnisse. Die neuere Rechtsprechung — s. D.
Jur. Ztg. 1903, S. 57 — beschränkt den Begrif
auf Vereine, die „auf den Staat, seine Gesetz-
gebung, seine Institutionen oder internationalen
Beziehungen einwirken wollen“, schließt also
Bildungsvereine, auch solche, die Staats= und
Verwaltungsrecht treiben, aus; die Grenze ist
hier jedenfalls sehr schwankend; s. auch S. 282.
* Der Abs. 3 des Art. 30 war in der Verf.
Urk. v. 5. Dez. 1848 nicht enthalten, sondern ist
bei der Revision hinzugefügt worden. Der Sav
lautete ursprünglich (nach dem Beschluß der
I. Kammer) dahin: „Politische Vereine können
vorübergehenden Verboten und Beschränkungen
im Wege der Gesetzgebung unterworfen werden.“
Diese Fassung wurde indes von der II. Kammer
dahin geändert: „Beschränkungen und vorüber
gehenden Verboten“, weil sonst zweifelhaft bleibe,
ob auch die Beschränkungen nur vorübergehende
sein dürfen (vgl. den Bericht der Revisionskom=
mission der II. Kammer in den Stenogr. Ber.
a. a. O., S. 633). Es ergibt sich mithin, daß
die Gesetzgebung das Recht haben soll, in betreff
politischer Vereine: a) Beschränkungen auch
dauernd, dagegen b) Verbote nur vorübergehend
einzuführen (vgl. auch den Bericht des Zentral-
ausschusses der I. Kammer in den Stenogr. Ber.
1819—50, Bd. III, S. 1279).
* Also nicht durch königliche Verordnung, außer
in den besonderen Ausnahmefällen des Art. 63
der Verf. Urk.; v. Rönne hatte auch diesen Weg
der Notverordnung auf Grund von Verf. Urk.,
Art. 63, für unzulässig erklärt, s. jedoch über die
— von v. Rönne unrichtig gezogenen — Grenzen
des Art. 63 unten in der Lehre von der Gesetzgebung.
5 Vgl. hierzu Caspar, S. 48 fg.
Das „Heer“ begreift alle Abteilungen des
stehenden Heeres und der Landwehr. Wenn da-
gegen der Ansdruck: „bewaffnete Macht" gebraucht
ist, so muß angenommen werden, daß diese Be-
zeichnung mehr als das Heer umfassen soll. Daß
darunter auch der Landsturm, im Falle solcher
aufgeboten wird, begriffen ist, kann nicht zweifel-
haft sein. Die Bestimmungen der Art. 38 und
39 der Verf. Urk. werden jedoch jetzt auch auf
die Personen der Kriegervereine (ugl. §. 2 des
Neichsgesetzes v. 9. Nov. 1867, B. G. Bl., S.
131) anzuwenden sein.