Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

284 Das Staatsbürgerrecht. (8. 60.) 
Abs. 1 und 2); die Erteilung kann im Wege des Verwaltungsstreitverfahrens erzwungen 
werden.½ 
Nichtpolitische Vereine, die eine Einwirkung auf öffentliche Angelegen- 
heiten nicht bezwecken, unterliegen in keiner Weise dem Vereinzsgesetz, 
sondern lediglich den allgemeinen Gesetzen und derjenigen polizeilichen Ein- 
wirkung, die sich aus ihnen ergibt. Aus allgemein polizeilichen Gesichtspunkten 
kann allerdings die Polizei auch Einsicht in die Statuten und das Mitgliederverzeichnis 
solcher nicht unter das Vereinsgesetz fallender Vereine verlangen und erzwingen.? 
Die Bestimmungen der §§. 1 und 2 beziehen sich nicht auf kirchliche und religiöse 
Vereine und deren Versammlungen, wenn diese Vereine Korporationsrechte haben ? (F. 2, 
Abs. 3). 
Die Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften des §. 2 werden gegen jeden Vor- 
steher des Vereins nach §. 13 der Verordnung bestraft.“ Außerdem aber stehen der 
Polizei auch noch in jedem Falle die Zwangsmittel nach L. V. G., F. 132 zur Ber- 
fügung.“ 
3. Wenn für die Versammlungen eines Vereins, welcher eine Einwirkung auf 
öffentliche Angelegenheiten bezweckt, Zeit und Ort statutenmäßig oder durch einen be- 
sonderen Beschluß im voraus feststehen, und dieses wenigstens 24 Stunden vor der ersten 
Versammlung zur Kenntnis der Ortspolizeibehörde gebracht worden ist, so bedarf es einer 
besonderen Anzeige, wie sie der §. 1 erfordert, für die einzelnen Versammlungen nicht 
(§. 3), wohl aber für sonstige, außerordentliche, Versammlungen.“ 
4. Die Ortspolizeibehörde? ist befugt, in jede Versammlung, in welcher öffentliche 
Angelegenheiten erörtert oder beraten werden sollen, einen oder zwei Polizeibeamte oder 
eine oder zwei andere Personen als Abgeordnete zu senden. Die Abgeordneten dürfen, 
wenn sie Polizeibeamte sind, nur in ihrer Dienstkleidung oder unter ansdrücklicher Kund- 
  
Erörterung und Beratung öffentlicher Angelegen- 
heiten, welche nur in Versammlungen zu ge- 
schehen pflegt, deckt nicht vollständig den Begriff 
der Einwirkung auf öffentliche Angelegenheiten, 
da diese auch ohne Versammlungen durch schrift- 
liche Mitteilungen erfolgen kann (Erkenntnis 
des Obertribunals v. 28. Nov. 1878, Oppenhoffs 
Rechtspr., Bd. XIX, S. 552, Goltdammers Archiv, 
Bd. XXVI, S. 579). Weitere Materialien bringt 
noch bei Schwartz, Verf. Urk., S. 385 ff., 
s. besonders noch Entsch. des Reichsgerichts in 
Strafsachen, Bd. XVIII, S. 169. 
1 Entsch. des O. V. G., Bd. XXII, S. 407. 
:* S. hierzu Entsch. des O. V. G., Bd. 1, 
S. 375; Bd. IX, S. 411; besonders Bd. XI, 
S. 389; Bd. XXVI, S.408; Caspar, S. 101 f.; 
Lisco, S. 13 f.; Delius, 16 ff.; Schwartz, 
Verf. Urk., S. 390. 
* Vgl. hierüber unten B. III. Verhältnis von 
Staat und Kirche. 
* Nämlich mit Geldbuße von 15—150 Mark, 
insofern der Vorsteher nicht nachweisen kann, daß 
die Anzeige oder die Einreichung des Verzeichnisses 
ganz ohne sein Verschulden unterblieben ist, und 
mit einer weiteren Strafe von 8 Tagen bis 
6 Wochen Gefängnis, wenn die Vorsteher wissentlich 
unrichtige Statuten oder Verzeichnisse eingereicht, 
oder wissentlich unrichtige Auskunft erteilt haben. 
* S. hierher Schwartz, Verf. Urk., S. 58 ff., 
386 f. 
* Caspar, S. 73; Delinus, S. 19; 
Schwarstz, Verf. Urk., S. 391. Uber die auch 
für solche Versammlungen zu erteilende Be- 
scheinigung s. Entsch. d. O. V. G., Bd. XXII, 
  
S. 397. Über zugezogene „Gäste“ Min. Neskr. 
v. E8E1. Aug. 1890 (M. Bl. b. i. Verw., S. 200), 
Entsch. d. O. V. G., Bd. XVIII,. S. 422. 
7 Die Befugnisse, welche das G. v. 11. März 
1850 den Ortspolizeibehörden beilegt, stehen auch 
den diesen vorgesetzten höheren Organen der 
Polizeigewalt, insbesondere dem Landratr, zu 
(Erk. des Ob. Trib. v. 18. Nov. 1864, J. M. 
Bl. 1865, S. 27, M. Bl. d. i. Verw. 1865, 
S. 29, Oppenhoffs Rechtsprechung, Bd. V, S. 
272, Goltdammers Archiv, Bd. XIII, S. 50). 
Wenn Schwartz, Verf. Urk., S. 378 bemerkt: 
„Insbesondere existiert kein von der Polizeigewalt 
verschiedenes Aufsichtsrecht des Regierungspräsi- 
denten", so ist dies selbstverständlich richtig; 
ebenso aber, daß der Regierungspräsident jeder- 
zeit und in jeder Weise die ihm untergeordneten 
Polizeiorgane anweisen kann; in der Schwars- 
schen Fassung führt der obige Satz leicht zu be- 
denklichen Mißverständnissen. Die Ausführung 
von Schwartz, S. 391 f., gegen die oben zit. 
Entsch. d. Ob. Trib. verkennt vollständig den 
verwaltungsrechtlichen Zusammenhang der Ver- 
waltungsbehörden, auf welchem das ganze System 
der Verwaltung mit Notwendigkeit beruhen muß. 
Die interessante Entsch. d. O. V. G., Bd. XVII, 
S. 403 durfte nicht zu dem obigen höchst miß- 
verständlichen Grundsatze generalifiert werden, vyl. 
auch O. V. G., Bd. XXX, S. 413. 
* Über die Verpflichtung der Ortspolizeibe= 
hörde hierzu auf den Antrag der Staatsanwelt- 
schaft vgl. das Reskr. des M. d. Inn. v. 7. Dez. 
1850 (M. Bl. d. i. Verw., S. 378). Bgl. auch 
Schwart, Verf. Urk., S. 392.
	        
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