Bersammlungs· und Vereinsrecht.
Diese Vorschriften waren unzureichend.!
G. 60.) 297
An die Stelle des Landesrechtes sind nunmehr die Vorschriften des B. G. B.,
§. 21 ff. getreten; diese sind zum größeren Teile lediglich privatrechtlicher Natur und
gehören insoweit nicht in den Zusammenhang dieser Darstellung; sie enthalten aber auch
wichtige öffentlich-rechtliche Vorschriften, deren Betrachtung an dieser Stelle notwendig ist.
Die Zusammenfassung des bürgerlichen Rechtes mit dem öffentlichen Recht zu grund-
sätzlicher Einheit ergibt nunmehr folgendes Rechtssystem:
1. Ausgeschlossen von der Anwendung der Vorschriften des B. G. B. bleiben,
insoweit für sie Sonderrecht besteht,
a) diejenigen Vereinigungen, die in ihren rechtlichen Beziehungen durch besondere
Reichsgesetzgebung geordnet sind (z. B. Handelsgesellschaften, Krankenkassen, Berufsge-
nossenschaften, Kolonialgesellschaften)?;
b) diejenigen Vereinigungen, die durch das Einführungsgesetz ausdrücklich dem Landes-
recht vorbehalten sind (z. B. Religions-, Deich-, Wald= u. a. Genossenschaften).. Für beide
Gruppen gilt das B. G. B. nur ergünzend, soweit nicht die Spezialgesetzgebung reicht.
Stiftungsbriefen, nach den vom Staate erhaltenen
Privilegien und Konzessionen, und nach den auch
in der Folge unter Genehmigung des Staats ab-
gefaßten Schlüssen zu beurteilen.“
1 Das A. L. R. geht von folgenden Grund-
sätzen aus: Eine zu einem bestimmten Zwecke
vereinigte Anzahl einzelner Menschen (Personen-=
gesamtheit, universitas personarum) kommt zwar
als ein Ganzes in Betracht (A. L. R., II, 6,
§§. 1, 12—14); allein wenn eine solche univer-
sitas als juristische Persönlichkeit (als „moralische
Person“, nach der Ausdrucksweise des A. L. R.,
ogl. A. L. R., I, 23, §. 3; II, 6, §§. 13, 81,
82; II, 14, §. 174, u. A. G. O., I, 1, §. 33;
1, 2, §. 103) Geltung haben soll, so muß sie
als solche von der Staatsgewalt anerkannt (per-
sonifiziert) sein. Dazu gehört indes nicht not-
wendig, daß sie eine Genehmigung aufzuweisen
brauche, sondern es gibt auch universitates,
welchen die juristische Persönlichkeit schon vermöge
ihres gestatteten Daseins (ipso jure), bezw. auf
Grund einer allgemeinen Gesetzesvorschrift zu-
kommt. Der Staat selbst (als fiscus) ist durch
sich selbst personifiziert; ferner gehören dahin die
Gemeinden (A. L. R., II, 6, §8. 25, 81; II,
7, §. 19; II, 8, §. 108), die vom Staate
ausdrücklich ausgenommenen Kirchengesellschaften
(A. L. R., II, 11, §. 17), die Universitäten,
Gymnasien und gleichstehende Lehranstalten (A.
L. R., II, S. 12, §§. 54, 67), die Innungen
der Gewerbetreibenden (A. L. R., II, 8, §. 191),
ferner die Schulsozietäten, sowie jetzt die durch
die Reichsgesetzgebung als juristische Personen
anerkannten Vereinigungen, vgl. hierher Arndt,
Kommentar zur preußischen Verf. Urk., Art. 31;
Schwartz, Verf. Urk., S. 109 f.; Endemann,
8. Aufl., Bd. I, §. 49; Crome, Bd. 1. S.
232 ff., und die dort reichhaltig zit. Literatur.
Die Materie bedarf für das öffentliche Recht einer
besonderen Darstellung später im Verwaltungs-
Dagegen müssen andere Gesellschaften,
recht.
welche als juristische Personen gelten wollen, da-
für vom Staate anerkannt werden. Die juri-
stischen Personen sind aber, je nachdem die Rechts-
fähigkeit den beteiligten Personen als Gesamtheit
zugeschrieben oder unmittelbar mit einem durch
Geschäftsführung vertretenen Zwecke als verbunden
angesehen wird, entweder Körperschaften oder An-
stalten. Korporationen nennt das A. L. R. (II,
6, §. 25) Gesellschaften, welche sich mit Ge-
nehmigung des Staates zu einem fortdauernden
und gemeinnützigen Zwecke verbunden haben.
Von diesen werden unterschieden: a) die reinen
Erwerbsgesellschaften (Gemeinschaften durch Ver-
trag, A. L. R., I, 17, Abschn. III); b) die
„erlaubten Privatgesellschaften“" (A. L. R., II.
6, §. 11); d. h. vom Staate nicht als Ein-
heit anerkannte Verbindungen, welche einen ge-
meinschaftlichen Zweck durch gemeinschaftliche
Mittel, also nicht persönliche Zwecke der Mit-
glieder durch bloße gemeinschaftliche Mittel ver-
folgen. Derartige Verbindungen sind nach Art. 30
der Verf. Urk. erlaubt, wenn sie keinen strafbaren
Zweck haben. Sie haben nach außen nicht die
Eigenschaft einer juristischen Person (A. L. R.,
II, 6, §. 11) und können nur auf den Namen
der in ihnen befindlichen physischen Personen
(ihrer Mitglieder) erwerben und besitzen (a. a. O.,
§. 13, und A. L. R., Teil I, Tit. 17, §§. 199—
200, Reskr. v. 8. Jan. 1836, v. Kamptz,
Jahrb., Bd. XIVII, S. 368). Sind sie über-
dies noch ausdrücklich genehmigt und privilegiert,
so haben sie als „privilegierte Gesellschaften“, in-
sofern im Privilegium nichts besonderes festgesetzt
ist, gleichwohl nur mit anderen erlaubten Gesell-
schaften gleiche Rechte (A. L. R., II, 8§. 22, 23);
sie gelten mithin noch nicht für juristische Per-
sonen. An den Grundsätzen des älteren Rechtes
ist auch durch die neuere Rechtsentwicklung nichts
geändert. Zutreffend kennzeichnet Crome, Bd. I,
S. 232 den Unterschied zwischen juristischen Per-
sonen des Privatrechtes und des öffentlichen
Rechtee dahin, daß die leuteren nicht einem
Privatrechtsgeschäft ihre Entstehung verdanken,
sondern entweder von alters her bestehen (Staat,
Gemeinden) oder auf neueren Außerungen des
Staatowillens beruhen (Krankenkassen, Berufs-
genossenschaften); privatrechtlich aber stehen diese
juristischen Personen des öffentlichen Rechtes den-
jenigen, die durch Rechtogeschäft entstanden sind,
vollkommen gleich.
2 Einführungsgesetz, A. 32.
3 Einführungegesetz, A. 65, 66, 69, 75, 83,
84: Endemann, Bd. I, S. 177.