Die Provinzen. (8. 62.) 309
sammengesetzt, welche der Preußische Staat zu verschiedenen Zeiten erworben hat.1 Es sind
dies folgende: a) die Grafsschaften Mark und Ravensberg, welche 1609, endgültig durch
den Erbvergleich v. 9. Sept. 1666 mit dem Herzogtum Cleve an das Kurhaus Brandenburg
abgetreten wurden, wodurch dasselbe zugleich b) zum Anteil an der Landeshoheit über
die Stadt Lippe gelangte, welche demnächst durch den Staatsvertrag v. 17. Mai 1850
unter die alleinige Landeshoheit Preußens gekommen ist?; c) das Fürstentum (frühere
Bistum) Minden, im Westfälischen Friedensschluß von 1648 an Preußen als reichslehn-
bares erbliches Fürstentum mit Reichs= und Kreisstandschaft überlassen; d) die im Jahre
1702 nach dem Tode des letzten Prinzen von Oranien von Preußen erworbene Graf-
schaft Lingen 3; e) die durch Vergleiche von 1707 und 1729 mit Preußen vereinigte
Grafschaft Tecklenburg; f) die infolge des Reichsdeputationshauptschlusses v. 23. Febr.
1803 von Preußen erworbenen Anteile des säkularisierten Bistums Münster, das gleich-
falls säkularisierte Bistum Paderborn (als Fürstentümer Münster und Paderborn) und
die frühere Abtei (jetzige Grafschaft) Herford.“ Außerdem gehören zur Provinz West-
falen folgende infolge der Beschlüsse des Wiener Kongresses an Preußen gefallene, bis
dahin mit Frankreich, dem Königreiche Westfalen oder dem Großherzogtume Berg ver-
einigt gewesenen Landesteile: mehrere Bestandteile des früheren Bistums Münster, näm-
lich Teile des Amtes Dülmen (Herrschaft Dülmen) 5 und der früheren Amter Bewergen
und Rheina-Wolbeck (Fürstentum Rheina-Wolbeck) ", desgleichen ein Teil des Amtes
Horstmar (Grafschaft Horstmar)?, die Amter Ahaus und Bocholt und die Herrschaft
Werths; die Grafschaft Recklinghausen?; die Grafschaft Steinfurth:o; die Herrschaft An-
holt 11; die Reichsherrschaft Gehmen 12; die Grafschaft Rietberg 13; die Herrschaften Rheda
und Gütersloh und die Grafschaft Hohen-Limburg oder Limburg-Styrum.1 Erdlich
sind der Provinz Westfalen auch noch folgende durch besondere Verträge erworbene Landes
1 Mehrere Landesteile, welche in betreff der 6# Diese Gebiete waren als Fürstentum Rheina-
allgemeinen administrativen Verwaltung Teile Wolbeck an den Herzog von Looz-Coswaren ge-
der Rheinprovinz bilden, gehören übrigens in fallen, durch die Rheinbundsakte aber (1806)
der Justizverwaltung zur Provinz Westfalen. unter Bergsche, 1810 unter französische Hoheit
2 Ülber die Bedeutung dieser Jülich-Cleveschen gekommen, und fielen 1815 teils unter preußische,
Erbschaft für die preußische Staatsentwickelung teils unter hannöversche Landeshoheit.
s. Bd. I, S. 15. 1. Die Grasschaft Horstmar fiel 1803 dem
2 Von der Grasschaft Lingen trat Preußen die Wild- und Nheingrafen zu Salm.e mumkenh (dem
niedere Grafschaft Lingen, nebst den zwischen der= ebigen Fürsten von Salm Horsimar) zu, kam
- .«. aber 1806 unter Bergsche Landeshoheit.
selben und der Ems gelegenen Münsterschen Ort- 8 Diese Gebiet iche den Fürst Salm-
schoften, durch den Traktat v. 29. Mai 1816 Diese Gebiete, welche den Fürsten von Salm-
(Anhang zur G. S. 1818, S. 15) an Hannover Kyrburg und von Salm-Salm überlassen. wor-
gegen das Amt Reckeberg mit Stadt und Gebiet den waren, kamen im Jahre 1810 unter franzö-
Wiedenbruck ab. sische Herrschaft. 8
vrn #„ Diese gehörte bis 1803 zu Kur-Cöln, wurde
Vgl. wegen der Erbfürstentümer Paderborn infolge des Reichsdeputationshauptschlusses von
und Münster das Patent v. 5. April 1803 (My1803 dem Herzoge von Arenberg zugeteilt und
lius, N. C. C., Tom. XI. p. 1683) und wegen kam 1811 unter Bergsche Landeshoheit.
der vormaligen Abtei Herford die Instruktion v. 10 Diese dem Fürsten von Bentheim-Steinfurth
21. Okt. 1802 (ebendas. p. 1218). — Alle oben gehörige Grasschaft kam durch die Rheinbunds-
genannten Landesteile, welche früher in keinem ge= akte (1806) unter Bergsche und 1810 unter fran-
meinschaftlichen Provinzialverbande standen, wur- ösische Landeshoheit.
den durch die Friedensschlüsse von 1806 und d½ Dem Fürsten von Salm-Salm gehörig
1807 von Preußen abgetrennt und zum Teil' und 1810 mit Frankreich vereinigt. Vgl. S. 35.
mit Frankreich vereinigt, zum Teil zu dem König- :: Dieselbe — zuletzt dem Freiherrn v. Böm-
reiche Westfalen und dem Großherzogtume Berglberg gehörig — kam durch die Rheinbunds-
geschlagen, jedoch im Jahre 1815 von Preußen akte (1806) unter Salm Kyburgsche Herrschaft,
wieder erworben (Besitznahmepatent v. 21. Juni 1810 aber an Frankreich. Vgl. S. 35, Note 3.
1815, G. S., S. 195). 13 Dieselbe war bis 1807 unter dem Grafen
5 Dies Gebiet hatte im Jahre 1803 der Herzogspätern Fürsten) von Kannitz-Rietberg souverän,
von Croy erhalten; dasselbe war aber durch die kam dann aber unter königlich westfälische Landes-
Rheinbundsakte (1806) unter herzoglich Aren= hoheit.
bergsche und 1810 und 1811 zum Teil unter 11 Diese Besinungen waren bis 1806 reichs-
französische, zum Teil unter Bergsche Landeshoheit uUunmittelbares Eigentum der damaligen Grafen
gekommen. S. über die nachfolgend genannten von Bentheim-Tecklenburg Rheda, kamen aber
meist standesherrlichen Gebiete auch S. 33 ff. dann zum Großherzogtum Berg.