Die Regiernngsbezirke. (8. 63.) 315
bei den sonstigen Staatseinrichtungen auf diese Abgrenzung Rücksicht zu nehmen. Dem-
gemäß bilden die Provinzen in der Regel auch die Grundlage für die territoriale Ge-
staltung der übrigen Staatseinrichtungen. Doch bestehen von dieser Regel vielfache Aus-
nahmen und für einige Zweige der Staatshoheit, insbesondere für das Berg= und Eisen-
bahnwesen, ist die Regel ganz aufgegeben worden. Die Organisation des Post= und
Telegraphenwesens (Oberpostdirektionen), sowie des Militärwesens (Armeekorpsbezirke) ist
ans Reich übergegangen. Doch bilden überall die Provinzen die Grundlage der
Organisationen.
Die Provinzen waren überdies schon in älterer Zeit kraft der historischen Ent-
wicklung autonome Körperschaften, welche gemeinschaftliche Institute und Vermögen be-
sitzen und Verbindlichkeiten eingehen konnten. Diese Verhältnisse sind heute — seit
1875 — durch die Provinzialordnungen auf vollkommen neuer Grundlage geregelt.1
Wenn daher Veränderungen in den somit auf Gesetz beruhenden Provinzialverbänden in
ihrer territorialen Begrenzung vorgenommen werden sollen, so ist dies unzweifelhaft ein
die gesetzlich festgestellten Rechte und Rechtsverhältnisse berührender Akt, der nur im
ordentlichen Wege der Gesetzgebung angeordnet werden kann. Diesen Grundsatz hat
* den 17 für die Provinzen Ost= und West-
preußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen ausdrücklich anerkannt, indem
§. 4 derselben bestimmt, daß Veränderungen bestehender Provinzialgrenzen durch Gesetz
erfolgen", daß jedoch Veränderungen solcher Gemeinde= oder Gutsbezirksgrenzen, welche
zugleich Provinzialgrenzen sind, die Veränderung der letzteren ohne weiteres nach sich
ziehen, Übrigens aber eine jede Veränderung der Provinzialgrenzen, welche nicht durch
Gesetz erfolgt, durch die Amtsblätter der beteiligten Provinzen bekannt zu machen ist.
Dieser in der Provinzialordnung v. 29. Juni 1875 ausgesprochene Grundsatz gilt auch
für die übrigen Provinzen und ist in den sämtlichen besonderen Provinzialordnungen in
gleicher Weise ausgesprochen.? "
jetzt auch die Provinzialordnung v.
8. 63.
II. Die Regierungsbezirke.
Die Verordnung v. 30. April 1815 wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial—
behörden? hatte §. 1, Ziffer 3 bestimmt, daß jede Provinz in zwei oder mehr Regierungs-
1 S. hierüber Schön, Recht der Kommunal=
verbände, S. 440 ff.
* Der §. 4 der Provinzialordnung v. 29. Juni
1875 bestimmt zugleich im Abs. 2, daß die in-
folge einer derartigen Veränderung erforderliche
Regelung der Verhältnisse. unbeschadet aller Privat-
rechte Dritter, durch den Minister des Innern
zu bewirken ist, und daß Streitigkeiten, welche
hierbei entstehen, der Entscheidung des Oberver-
waltungsgerichts unterliegen.
2 Provinzialordnung für Hannover v. 7. Mai
1884, §. 4; für Hessen-Nassau v. 8. Juni 1885,
§. 2; für Westfalen v. 1. Aug. 1386, §S. 4; für
die Rheinprovinz v. 1. Juni 1887, S. 4; für
Schleswig Holstein v. 27. Mai 1888, S. 4.
* Die (demnächst durch das G. v. 24. Mai
1853 wieder aufgehobene: Kreis-, Bezirke= und
Provinzialordnung v. 11. März 1850 enthielt in
den Art. 3, 32 und 38 die Bestimmung, daß
Beränderungen in den Grenzen der Kreise, Be-
zirke und Provinzen nur durch ein Gesetz er-
folgen können.
Dies hatte der Entwurf der
Staatsregierung selbst beantragt und der Minister
des Innern verteidigte die Bestimmung noch
speziell durch den Grund, daß es unstatthaft sei,
in die Korporationsrechte der gedachten Verbände
und die denselben entsprechenden Korporations-
verbindlichkeiten durch bloße Verwaltungsanord-
nungen einzugreifen vgl. Stenogr. Ber. der I. Kam-
mer 1849—50, S.642, 2051, und der II. Kammer,
S. 3210; s. v. Rönne, Bearbeitung der Ge-
meinde= usw. Ordnung v. 11. März 1850, S. 323
— 325, 357 und 365—366). Auch die späteren
von der Staatsregierung vorgelegten Entwürfe
von Provinzial= und Kreisordnungen hattemn jenen
Grundsatz der Kreids-, Bezirks= und Provinzial-
ordnung v. 11. März 1850 für die Kreise und
Provinzen — nicht für die Regierungsbezirke —
aufgenommen, welcher demnächst auch in die
Provinzialordnung v. 29. Juni 1875, sowie in
die übrigen Provinzial= und in sämtliche Kreis-
ordnungen überging.
5 G. S. 1810, S. 85.