332 Die Staatsbehörden. (8. 64.)
grenzen zusammenfallen, auch die Veränderung der letzteren ohne weiteres nach sich ziehen;
4. daß jede Veränderung der Kreisgrenzen durch das Amtsblatt bekannt zu machen ist.
Abgesehen hiervon aber hat der §. 4 der Kreisordnung denjenigen Städten, welche mit
Ausschluß der aktiven Militärpersonen eine Einwohnerzahl von mindestens 25000 Seelen
haben und gegenwärtig einem Landkreise angehören, die Befugnis erteilt, für sich einen
Kreisverband (Stadtkreis) zu bilden und zu diesem Behufe aus dem bisherigen Kreisver-
bande auszuscheiden, und ferner bestimmt, daß auf den Antrag der Stadt dieselbe durch
den Minister des Innern für ausgeschieden erklärt wird. Auch kann, wie der Abs. 3
des §. 4 bestimmt, durch königliche Verordnung nach Anhörung des Provinziallandtages
Städten von geringerer Einwohnerzahl auf Grund besonderer Verhältnisse das Ausscheiden
aus dem bisherigen und die Bildung eines eigenen Kreisverbandes gestattet werden. Zu-
folge der ferneren Bestimmungen des §. 4 muß jedoch zuvor in allen Fällen eine Aus-
einandersetzung darüber getroffen werden, welchen Anteil die ausscheidende Stadt an dem
gemeinsamen Aktiv= und Passivvermögen des bisherigen Kreises, sowie etwa an fort-
dauernden Leistungen zu gemeinsamen Zwecken der beiden neuen Kreise zu übernehmen
hat?; über die Auseinandersetzung beschließt der Bezirksausschuß vorbehaltlich der den
Beteiligten gegeneinander zustehenden Klage bei dem Bezirksausschuß. Der §. 5 der
Kreisordnung hat ferner bestimmt, daß privatrechtliche Verhältnisse durch Veränderungen
der Kreisgrenzen (§§. 3 und 4) nicht berührt werden. — In gleicher Weise ist die
Frage jetzt auch für alle übrigen Provinzen, sowie die Hohenzollernschen Lande entschieden,
nur daß für die Bildung selbständiger Stadtkreise in Westfalen eine Einwohnerzahl von
30000, für die Rheinprovinz von 40000 Seelen vorgeschrieben ist.?
8. 65.
IV. Die Gemeinden.
I. Für die Zwecke der rein örtlichen Verwaltung ist die Einteilung des Staats-
gebietes in Kreise noch zu umfassend“, und deshalb bedarf es einer weiteren Unterab-
teilung der Kreise in Bezirke von geringerem Umfange. Diese bieten sich von selbst dar
in den Gemeinden. Zwar kommen diese letzteren keineswegs nur als Verwaltungsbezirke
für staatliche Zwecke in Betracht, sondern sie bestehen als selbständige und für ihre An-
gelegenheiten selbsttätige Korporationen im Staate; als solche bilden sie die Grundlage
des Staates, in dessen Organismus sie einbegriffen sind, und welcher sie als die unterste
Instanz seiner Wirksamkeit gestaltet hat. So sind die Gemeinden in dieser ihrer ver-
waltungsrechtlichen Doppelstellung, die in der positiven Gesetzgebung eine eigenartige Aus-
prägung gefunden hat, doch eine prinzipielle Einheit, indem sowohl der „eigene“, als der
„übertragene“ Wirkungskreis im letzten Ende Staatsverwaltung, wenn auch in noch so
weitgehender Selbstverwaltung, Autonomie, Dezentralisation, darstellt.
Die Verfassungsurkunde v. 5. Dez. 1848 hatte, von diesen Grundsätzen ausgehend,
in den Art. 104 den Satz ausgenommen, daß das Staatsgebiet in „Provinzen, Bezirke,
1 Auf Grund dieser Bestimmung sind zahl- * Westf. Kreisordnung §. 3, rhein. Kreisord-
reiche Städte seit Bestehen der Kreisordnung für
ausgeschieden erklärt worden, so Görlinz, Stral-
sund, viegnitz, Elbing, Brandenburg, Charlotten-
burg, Tilsit, Insterburg u. a. m.
: Über die Verteilung der auf Grund der
§§. 3 und 4 des Dotationsgesetzes v. 30. April
1873 dem Kreise überwiesenen Summe im Falle
des Ausscheidens der Stadt vgl. §. 27 des Do-
tationsgesetzes v. 8. Juli 1875 „G. S. 1875,
S. 508).
nung. §S. 3.
* Uber die Entwickelung dieser Verhältnisse in
und seit der Zeit Friedrich Wilhelms I., die
für die alten Stammlande der Monarchie ein ganz
besonderes charakteristisches Gepräge trägt, s. die
au#egezeichnete Darstellung bei E. Meier, Reform
der preußischen Verwaltung, S. 98# ff.
* Siehe über die grundsce Seite der Frage
besonders Laband, Rd. I, 97.