342 Die Staatsbehörden. (8. 66.)
der Verantwortlichkeit der Minister, welche diese Verantwortlichkeit durch die zur Gültigkeit
eines jeden Regierungsaktes des Königs erforderliche Gegenzeichuung übernehmen! (Ver-
fassungsurkunde, Art. 44)., Zur Auslibung der Funktionen des Staatslebens bedarf
aber der König Organe, welche in seinem Namen handeln, indem sie, kraft der ihnen vom
Könige, als Inhaber der Vollzugsgewalt, erteilten Vollmacht, die ihnen übertragenen Amts-
funktionen ausüben.) Deshalb gebührt dem Könige das Recht der Besetzung aller Stellen
in sämtlichen Zweigen des Staatsdienstes, sofern nicht das Gesetz ein anderes verordnet",
und die Organisationsgewalt nach Maßgabe des Gesetzes.
In der Art, wie die Besorgung der Staatsgeschäfte durch die Behörden und Be-
amten erfolgt, ist ein dreifaches System zu unterscheiden:
1. das Kollegialsystem, wo die Geschäfte durch Kollegien behandelt werden, in welchen
die Beschlüsse nach gemeinschaftlicher Beratung durch Mehrheit der entscheidenden Stimmen“
gebildet werden;
2. das Einheits= oder Bureausystem', wenn die Beschlüsse von dem Willen eines
Einzelnen ausgehen und die übrigen Mitglieder der Behörde nur beratende Stimmen
(vota consultativa s. deliberativa) haben;
zu verstehen sei, dem ein bestimmter Geschäfts-
kreis oder Inbegriff von Funktionen zugewiesen
ist, und daß die Anordnung der Behörden, nach
welcher sie von der Zentralbehörde aus einander
untergeordnet sind, die Hierarchie derselben bildet.
Gegen diese Definition wendet der Verfasser des
Aufsatzes in Hartmanns Zeitschrift für Gesetz-
gebung und Praxis auf dem Gebiete des deut-
schen öffentl. Rechtes, Bd. I, S. 451, Note 1 mit
Recht ein, daß dieselbe zu weit sei, weil nach ihr
jeder einzelne Beamte, jede gesetzgebende Körper-
schaft eine Behörde sein würde. Der Verfasser
des zitierten Aussatzes spricht sich (d. a. O., S. 451)
dahin aus: „Der Inbegriff von Verwaltungs-
geschäften, welche einem Einzelnen Übertragen
sind, bildet sein Amt; als Inhaber desselben ist
er Beamter. Die Beamten bilden teils einzeln,
teils zu mehreren verbunden, ständige Anstalten,
welche unabhängig von dem Wechsel der bei ihnen
beschäftigten Personen die Träger bestimmt abge-
grenzter Machtbefugnisse und Obliegenheiten der
Verwaltung darstellen. Diese Anstalten sind die
Behörden. Es gibt keine ständigen Behörden
ohne Beamte, und es gibt keinen Beamten, welcher
nicht einer Behörde angehört oder selbst eine
solche repräsentiert. Das Staatsoberhaupt und
die Vertreter des Volkes, welche zur Mitwirkung
bei der Ausübung der gesetzgebenden Gewalt be-
rufen sind, zählen nicht zu den Beamten; des-
halb ist weder das Staatsoberhaupt noch die
Volksvertretung eine Behörde.“ Uber die Charakte-
risierung, welche das Obertribunal dem Wesen
der Behörde gibt, vgl. das Erkenntnis desselben
v. 26. März 1863 in Striethorsts Archiv, Bd.
XIVIII, S. 274. Die Gesamtheit der Behörden
des Staates bildet seinen Behördenorganismus.
Zur Begriffsbestimmung der „Behörde“ . jetzt
besonders aus der neueren staatsrechtlichen Lite-
ratur Laband, St. R., Bd. I, S. 337 ff.; Otto
Mayer, Verw. R., Bd. II. S. 198 ff.
1 Uber die Organisation der Behörden in
Preußen vgl.: Fr. v. Raumer, Uber die Ver-
fassung der Behörden im Preußischen Staate
(in Mansos Geschichte des Preußischen Staates,
Frankfurt, 1820, Tl. III); K. L. v. Woltmann,
Geist der neuen preußischen Staatsorganisation
(Leipzig, 1810); Schreiben an Friedrich Wil-
helm III. über die neue Organisation des Preußi-
schen Staates (Berlin, 1808); Wehnert, Uber
den Geist der preußischen Staatsorganisation und
Staatsdienerschaft (Potsdam, 1833); J. D. F.
Rumpf, Ressort und Organismus sämtlicher
preußischer Staatsbehörden und öffentlichen An-
stalten (Berlin, 1837); Geschichte und Dar-
stellung des Organismus der preußischen Be-
hörden (Arnsberg, 1840). — Eine bloße Samm-
lung der betreffenden Gesetze und Verordnungen
enthält die Schrift: Die Grundgesetze über die
innere Verwaltung des Preußischen Staates oder
Verfassung und Einrichtung der obersten Staats-
und Provinzialbehörden der preußischen Monarchie
(Berlin, 1842).
: Über Begriff und Inhalt dieser Verantwort-
lichkeit s. die Werke über Reichsstaatsrecht von
Laband, Bd. 1I, S. I. 347; Zorn, ZRd. I,
S. 254 ff., 411, 417, 420, 489, 510.
2 Die Behörden und Beamten üben ihre Be-
fugnisse nicht auf Grund eigener Berechtigung
aus, sondern nur vermöge des ihnen von dem
Könige als Inhaber der obersten Staatsgewalt
erteilten Auftrages, vgl. Zachariä, D. St. und
B. R., 3. Aufl., Bd. II, S. 3.; ferner besonders
Laband, St. R., Bd. 1, S. 339; Jellinek,
Subj. öffentl. Rechte, 2. Aufl. 1905, S. 183 ff.;
v. Rönne-Zorn, Bd. I, S. 426.
* Verfassungsurkunde Art. 47. — Bgl. A. L. R..
II, 13, §. 7. — Vgl. Bd. 1, S. 427; ferner
Laband, Rd. I. S. 344 ff.
5 Vgl. Bd. I, S. 427 und insbesondere über
die Frage, ob das Recht zur Errichtung von
Verwaltungsbehörden im Wege königlicher Ber-
ordnung ausgellbt werden könne oder ob es dazu
allemal eines Gesetzes bedürfe, ebendas., S. 429,
430
* Vgl. A. L. K., II, 10, 68. 114 ff.
* Auch „Bureaukratie“ genannt. — Bglden
Art.: „Bureaukratie“ (von H. v. Gagern) in
Welckers Staatslexikon, 3. Aufl., Bd. III, S. 173
—220.