344 Die Staatsbehörden. (8. 67.)
Erster Titel.
Historische Entwicklung.
8. 67.
I. Übersicht der Entwicklung des Organismus der Verwaltungsbehörden bis zum
Jahre 1806. 1
Die Organisation der landesherrlichen Beamten zu bestimmten Behörden hat im
Preußischen Staate, und namentlich in den brandenburgisch-preußischen Landen, im wesent-
lichen denselben Gang genommen, wie in Deutschland überhaupt. Sie schließt sich an
die Entwicklung der Landeshoheit zu einer mehr oder minder vollkommenen Staatsgewalt
an? und beginnt in Preußen Anfang des siebzehnten Jahrhunderts. Unter dem Kur-
fürsten Joachim Friedrich erhielt der brandenburgische Geheime oder Staatsrat durch
die geheime Ratsordnung v. 13—25. Dez. 1604 eine stehende und bleibende Ein-
richtung als höchste Staatsbehördes, deren Hauptbestimmung die oberste Aufsicht und
Leitung der gesamten Staatsverwaltung und die Beratung des Regenten in Regierungs-
und Familienangelegenheiten war.“" Damit folgte Brandenburg derjenigen Entwicklung,
die in Frankreich im conseil de roi, in England im privy council., in Osterreich im
Reichshofrat bereits Gestaltung gewonnen hatte. Kurfürst Johann Sigismund erließ
unterm 25. März 1613 eine verbesserte geheime Ratsordnung, in welcher durch ge-
nauere Bestimmung der Verwaltungskreise bereits die Grundlagen zu einer planmäßigen
Geschäftseinteilung nach Departements gelegt wurden. Nachdem im Jahre 1640 der Große
Kurfürst Friedrich Wilhelm zur Regierung gelangt war, traf dieser durchgreifende
nderungen in der Verfassung des geheimen Rates, welcher nunmehr in 19 Abteilungen
1 Vgl.: J. Chr. J. Fischer, Lehrbegriff sämt-
licher Kameral= und Polizeirechte (Frankfurt a. O.,
1875), Bd. II, S. 1 ff.; Kurze Darstellung
der vor dem Jahre 1808 in den preußischen
Staaten bestandenen öffentlichen Verwaltungsbe-
hörden (in der Einleitung zu Rabe, Samml.
preußischer Gesetze und Verordnungen, Bd. IV);
Ergänzungen und Erläuterungen der preußi-
schen Rechtsbücher von Gräff, v. Rönne und
Simon (2. Ausg.), Bd. V, S. 38 ff.
: Vgll. Zachariä, D. St. und B. R., 3. Aufl.,
Bd. II. S. 3 ff.; G. Meyer-Anschütz, Lehr-
buch des d. St. R., S. 351 ff.
* Vgl. Cosmar und Klaproth, Der Königl.
Preußische und der Kurfürstlich Brandenburgische
Geh. Staatsrat (Berlin, 1805), S. 86 ff. In
diesem Werke (S. 299 ff.) ist die erste Geheime-
ratsordnung, welche Joachim Friedrich am 05. Dez.
1604 vollzog, vollständig abgedruckt. — Uber die
Verfassung des Geheimenratskollegiums vgl. auch:
Geschichte und Organiamus der preußischen Be-
hörden Arnoberg, 1840, S. 33 ff.: E. Meier,
Die Neform der Verwaltungsorganisation unter
Stein und Hardenberg (veipzig, 1881), S.3—10.
4 Lange Zeit auegeschlossen von der Kompe-
tenz des Geheimenrats blieben solche Gegenstände,
die zur Bildung eines festen öffentlichen Rechtes
noch nicht gereift waren, ald Religions-, Lehns-
und Landtagesachen, die dem Landee fürsten und
speziellen beratenden Organen vorbehalten waren
(ogl. Gneist, Geschichte der heutigen Gestalt
der Amter in England, S. 685). Diese gehörten
in oberster Instanz vor das Konsistorium, die Lehns-
kanzlei und den Kanzler (vgl. die oben angeführte
Schrift: Geschichte und Organismus der preußischen
Behörden, S. 34). Auch auf die Justizsachen hane
der Geheimerat ursprünglich keinen Einfluß, da
diese vor das schon im Jahre 1516 gestiftete Hof-
und Kammergericht (vgl. die Stiftungsurkunde in
Mylius, C. C. M., Tom. I, Abt. 1, Nr. 1) ge-
hörten, dem dann später (nach Erteilung des
kaiserlichen privilegil de non appellando v.
16. Dez. 1702) als letzte Instanz das Obertribunal
übergeordnet wurde (vgl. Hymmens Beiträge zur
juristischen Literatur, Bd. VI, S. 225), während
für die Instizuerwaltung das Großkanzleramt ge
schaffen wurde (vgl. über die anfangs schwankenden
Berhältnisse der Justiz E. Meier, Reform, S.7).
5 Ugl. hierher besonders die schönen Arbeiten.
von Rosenthal: Die Behördenorganisation
Kaiser Ferdinands I. (1887) und Geschichte des
Gerichtawesens und der Verwaltungsorganisation
Bayerns, Bd. I., 1889.
6 Vgl. bei Cosmar und Klaproth, a. a. O.,
S. 113 ff. Darin versprach der Kurfürst. „in
Sachen seines Hauses und des Landes nichts
ohne Zuziehung und Genehmigung des Geheimen
rates vornehmen zu wollen“.